14. Jahrgang | Nummer 2 | 24. Januar 2011

Glaube

von Eva Strittmatter (8.2.1930 – 3.1.2011)

Mein Freund sagt, da ist keine Tür in der Mauer:
Nach dem Leben kommt nichts. Nichts führt nach nirgends hinaus.
Er spricht zu uns mit spöttischer Trauer:
Wir leben. Nichts weiter. Salut. Und aus.

Er hat uns auch die Mauer genommen.
Es gibt keine Mauer: es gibt keinen Sinn.
Sinnlos sind wir zu leben gekommen.
Von nirgendwoher nach nirgendwohin.

Der einzige Sinn ist: entschlossen zu leben,
Einander so hilfreich wie möglich zu sein,
Gemeinsam die irdischen Lasten zu heben
Und uns von der Furcht vor dem Tode befrein.

Ich füge hinzu: es gibt auch das Schöne.
Das rauschende Blau ist das Leben wert.
Erst recht das Reich der bemeisterten Töne.
Und das Wort, das die Lust und das Leiden vermehrt.

Aus: Eva Strittmatter, Zwiegespräch. Gedichte, Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 1999. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlages.