von Moritz Piehler
Die Badlands in South Dakota sind ein bizarrer Ort. Mitten in der Prärie öffnen sich abrupt zerklüftete Felslandschaften neben der Straße. Mondlandschaften, die sich bis fast an die Grenze Nebraskas ziehen. Zwischen den staubigen Ebenen Nebraskas und den Badlands liegt das Pineridge Reservat. Es gilt als das ärmste und traurigste Indianderreservat der USA. In Pineridge liegt auch die Gedenkstätte für das Massaker von Wounded Knee. Weiter weg vom Mythos des Wilden Westens als hier kann man kaum sein.
Über die Prärie pfeift ein gnadenlos kalter Wind, der Schneegekrisel vor sich hertreibt. Der Ort Pineridge besteht aus einer Shelltankstelle, die einer der wenigen Arbeitgeber im Reservat ist. Gleichzeitig spielt sich hier das soziale Leben der Gegend ab. Während im restlichen Reservat nur wenige Indiander zu sehen sind, die am Straßenrand auf eine Mitfahrgelegenheit warten, herrscht in der Tankstelle reger Betrieb. Direkt hinter dem Ort warten nur leere Straßen und heruntergekommene Trailer neben dem schlecht gepflasterten Highway. Dass hier die landesweite Politik nicht von besonders hohem Interesse ist, verwundert kaum. Die Schilder am Straßenrand werben für indianische Präsidentschaftskandidaten, eine Wunschvorstellung, die noch weit unwahrscheinlicher erscheint, als der erste afroamerikanische Präsident (der Text entstand im Oktober 2008, Anm. d. Red.).
Wounded Knee ist ein kleiner Ort, bestehend aus mehreren Trailern und Einfamilienhäusern. Die Gedenkstätte selbst ist nicht einfach zu finden. Schließlich kommt man an einen staubigen Platz, an dem im Sommer einige Touristenstände aufgebaut sind, eine der wenigen Möglichkeiten, sich etwas Geld zu verdienen. Jetzt im Winter wartet nur eine ältere Frau mit mehreren Kindern in ihrem Auto darauf, einen Dreamcatcher oder ein Armband an die wenigen Besucher zu verkaufen, die sich hierher verirren. Und Little Moon. Der junge Mann ist vielleicht Mitte zwanzig und zittert in seiner dünnen Sportjacke vor Kälte, während er uns die Geschichte seines Stammes erzählt, dem Ghost Dance, dem Tipi Lager, der letzten Aussicht der über 300 Sioux, hauptsächlich alte Männer, Frauen und Kinder, die sie zu sehen bekamen, bevor die Siebte Kavallerie sie hinrichtete. Nur hundert entkamen dem Feuer, viele von ihnen erfroren in der Prärie. Es muss ein ähnlich kalter Tag gewesen sein im Dezember 1890. Höflich fragt uns Little Moon nach etwas Unterstützung für seinen Einkauf und verschwindet bibbernd über die Hügel.
In den USA verfügt jede Kleinstadt über gewaltige bronzene Denkmäler für die Gefallenen des Vietnamkriegs, den Bürgermeister oder die Gewinnerin des alljährlichen Miss Pumpkin Wettberwerbs. Wounded Knee, eines der schlimmsten Symbole für die Brutalität, mit der die europäischen Siedler die Indianer unterdrückten und bis heute in eine gesellschaftliche Randlage zwangen, hat eine rostige Tafel und ein etwa ein Meter hohes Steindenkmal. Das kleine Museum ist geschlossen worden, finanzielle Unterstützung vom Staat gibt es nicht. Zumindest wurde der Name von “Battle of Wounded Knee” in “Massacre” geändert. Eine Schlacht war es bestimmt nicht, die hier stattgefunden hat. Auf dem Hügel, der als Massengrab benutzt wurde, ist auch heute ein Friedhof, erstaunlich viele der Toten dienten in den Weltkriegen für die US Army. Hinter dem Hügel kann man die rostigen Trailer sehen, die sich an den nächsten Hang pressen. Es ist ein deprimierender, leerer Ort. Auf dem Boden vor dem geschlossenen Besucherzentrum liegt ein Schild mit der Aufschrift: “We stay where our dead lay”, fast überwachsen von den Präriegräsern.
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