von Ines Fritz
“ Und es lohnt sich auch nicht – mal ganz aufs Materielle geschaut -, neue Partner zu suchen. Damit arbeitet die staatliche Umsorgung der Alleinerziehenden mit an der Verhinderung von Kindheit in ach so schrecklich konventionellen Zwei-Eltern-Familien.”
So polemisch sieht das jedenfalls Paul-Hermann Gruner in einer Ankündigung zu seinem Radiobeitrag beim Deutschlandradio. Und dieser Beitrag wurde auch tatsächlich gesendet, am 5. Februar, frühmorgens um 7.20 Uhr, Titel: „Die Heroisierung der Alleinerziehenden“.
Mit Fragen dazu, warum sich Alleinerziehende, die Sozialleistungen beziehen müssen, keine solventen Partner suchen, bricht er ein Tabu – meint er. Und er findet sich dabei bestimmt auch noch sehr mutig.
Tabubrecher wie Herr Gruner sind nämlich Helden. Einer Alleinerziehenden vorzuschlagen, sich zur Entlastung des Staatshaushaltes einen solventen Partner zu sichern, ist dann in etwa so intelligent wie der Rat an einen Arbeitslosen, doch bitte auf Hartz IV zu verzichten und sich einen Job zu suchen. Dabei erschreckt nicht nur Gruners Unverschämtheit, Männer zur Alimentierungmaschine erwerbsloser Frauen zu degradieren, deren Unterhalt in einem Sozialstaat doch tatsächlich (noch) den Sozialleistungsträgern obliegt, sondern auch die Unterstellung, um jemanden den Lebensunterhalt zu finanzieren, müsse man zu diesem Zwecke eine Partnerschaft miteinander führen.
Daß er Frauen verachtet, ist dabei Legitimation zur Sendung im politischen Feuilleton und leider, leider kein Tabu, und seine Erklärung auch kein Instrument, ein solches zu brechen. Die notgeile Begierde des Herrn Gruner, die geldgeilen, arbeitsfaulen Singlemütter in Partnerschaft mit solventen Ernährern zu zwingen, wirkt da gleich erklärend – es hieß nämlich Partnerschaft nicht Solidarität, es heißt auch Unterhalt und nicht Spende, und die Frau muß eben für materielle Unterstützung dankbar und in nächster Nähe greifbar sein. Wahrscheinlich haben die dann sogar Sex.
Dabei können natürlich solvente Deutsche jederzeit und überall anderen den Lebensunterhalt spendieren, weltweit, ohne darum eine „Partnerschaft“ zu begründen, und auch ohne eine „Zwei-Eltern-Familie“ zu führen. Tragisch vor diesem Hintergrund wirkt da, daß Gruner – und ich vermute das nur – den Sozialleistungsbezug von Müttern mit Kindern wohl ungerecht findet, weil es seiner Meinung nach eben leicht zu bewerkstelligende Alternativen gibt: Die Partnerschaft einer erwerbslosen Mutter mit einem Mann, ihrem Ernährer und Beschützer. Eine solch antiquierte Haltung ist übrigens auch ein Grund, warum verheiratete Frauen auch heute noch länger arbeitslos sind, seltener eingestellt werden und eher entlassen werden. In manchen Kreisen nennt man das Diskriminierung und findet es ungerecht. Paul-Hermann Gruner fängt dazu sicher an, von „besseren“ Zeiten zu träumen.
Was Frauen und Männer wollen, und was das Beste für das Kind, Väter, Mütter und alle zusammen ist, interessiert Gruner nur am Rande, wenn es doch vor allem um die Entlastung des gebeutelten Sozialstaates geht. Die Annahme, daß eine „Zwei-Eltern-Familie“ das Ideal der Kindererziehung bedeutet, wird nicht hinterfragt wie auch die Demütigung der Männerschaft durch Reduktion ihrer Partnerschaftswünsche auf Zuhälterverhältnisse keine Beachtung findet. Männerverachtung erledigt der Herr Gruner gleich in einem Aufwasch. Ob das ein zerschreddertes Tabu ist?
Für Unterhaltsabhängige selbst sehe ich bei Gruners neoliberalem Geschwafel nämlich das geringere Problem, die haben trotz Gruners Bewertung Anspruch auf Hartz IV, mindestens wenn sie sich trennen, und sie müssen darum keine Ernährer zu Partnern machen, um nicht samt Kindern verhungern zu müssen. Außerdem ist ihr Anspruch auf Unterhalt regelmäßig gesichert. Diesen Luxus genießen leider offenbar nicht alle Frauen in einer Beziehung und auch mit einem solventen Partner nicht unbedingt. Daß ein Partner Geld hat, heißt ja nicht, daß er entsprechende Bedarfe des anderen auch befriedigt. Einen einklagbaren Anspruch auf gesetzmäßigen Mindestunterhalt in einer Partnerschaft mit einem Verdiener gibt es nur für das Kind, aber nicht für den abhängigen Partner! Daß aber Männer keinen Unterhalt hinterziehen, weiß man eben. Nicht mal die ARGEn kontrollieren darum, ob in einer Bedarfsgemeinschaft der unterhaltsberechtigte Partner seinen Bedarfssatz auch befriedigt bekommt. Und das ist schon ein kleines Wunder, denn die kontrollieren sonst wirklich alles. Wenn aber Hartz IV zum Vorteil – zur „Trennungsprämie“- wird, bedeutete die Beziehung finanzielle Gewalt und bittere Armut.
Aber was ist eigentlich, wenn ein Mann kein Ernährer sein will? Wenn er einfach möchte, daß seine Frau ihm die Klamotten vom Leib reißt, weil sie Lust darauf hat, auf ihn, und dabei überhaupt keine Angst vor dem Verhungern? Was passiert eigentlich, wenn ein Mann – vielleicht auf Grund eines Gendefekts, eines anständigen Elternhauses oder auf Grundlage humanistischer Bildung – Ansprüche an eine Partnerin entwickelt, die darüber hinausgehen, sie ernähren zu dürfen? Und das selbst, wenn er Geld hat? Kommt Herr Gruner damit überhaupt zurecht?
Finanzielle Autonomie ist das Recht eines jeden Erwachsenen (auch innerhalb einer jeden Partnerschaft), um diese gesetzliche Absicherung gilt es zu streiten; um das Recht aus freien Stücken und ohne finanzielle Not geliebt zu werden ebenfalls.
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