13. Jahrgang | Nummer 3 | 15. Februar 2010

K-Antworten

von Heerke Hummel

K-Antworten? Ja! Erinnern Sie sich nicht, wie wir „Ossis“ nach dem sogenannten Beitritt vor 20 Jahren (oder war es ein Fußtritt der Geschichte?) viel Neues wie Westzeitungen, Westdirektoren und Westbanker, auch einen Kanzler vorgesetzt bekamen und eines Tages sogar mit etwas ganz Neuem konfrontiert wurden – der sogenannte K-Frage: Wer soll Kanzler(in) werden? Ich ahne, was Sie nun vermuten. Aber ehe ich Ihnen verrate, ob es das wirklich ist, was ich meine, muß ich Ihnen aus meinem Leben erzählen.

Ich war, bis der Staat, in dem ich lebte, von der Bühne des Welttheaters abtrat, ein manchmal unangenehmer Mensch, der Briefe schrieb, wenn ihm wieder mal etwas zu sehr gegen die Hutschnur gegangen war – an Institutionen und Personen. Das war damals mein verbrieftes Recht. Ich glaube, es stand mir seit den 60er Jahren zu und wurde geregelt durch das „Gesetz über die Arbeit mit den Eingaben der Bürger … “ (Eingabengesetz oder so ähnlich) der DDR. Ich schrieb, so kommt mir ins Gedächtnis, an den Rat der Stadt Falkensee (z. H. d. Bürgermeisters), um mich über schlechte Gehwege zu beklagen, an die Abt. Kultur beim Zentralkomitee der SED (z. H. Gen. Dr. Kurt Hager), um gegen das Verbot des sowjetischen Journals „Sputnik“ zu protestieren, auch an den Staatsratsvorsitzenden und Generalsekretär des Zentralkomitees, Gen. Erich Honecker, weil ich mich nicht damit abfinden wollte, wie Vertreter des Ministeriums für Staatssicherheit mit etwa zehn- bis zwölfjährigen Schülern der Klasse meines Sohnes umgegangen waren. Solche und andere meiner Schreiben waren nicht folgenlos. Der Bürgermeister von Falkensee etwa antwortete mir mit der Frage, ob ich bereit wäre, mich bei den nächsten Wahlen als Kandidat für die Stadtverordnetenversammlung aufstellen zu lassen. Das war natürlich eine Ausnahme, die aber immerhin belegte, daß jener Staat (wenigstens bis zu einem bestimmten Grade und einer gewissen Ebene) an der Mitarbeit seiner Bürger interessiert war. Die Antworten aus dem „Hohen Haus“ durfte ich mir bei meinem Parteisekretär im Betrieb abholen, der mir klarzumachen hatte, daß ich schiefläge.

Kaum andere Antworten hatte ich zwar erwartet, aber immerhin, es war eine Reaktion. Sie stellte mich nicht zufrieden, zeigte mir aber wenigstens, daß mein Tun nicht völlig umsonst war, daß ich jemanden veranlaßt hatte, zu reagieren, ebenfalls zu schreiben oder zu telefonieren, einen Moment über die Sache nachzudenken, auch wenn der eigentliche Effekt so gut wie „Null“ war. Jede andere Erwartung wäre Utopie gewesen, meine Stimme war ja nur ein Vielmillionstel der Gesamtheit und eben nur eine Meinungsäußerung.

In dem jetzigen Staat gab ich mich durchaus keinen größeren Erwartungen hin als früher, was meine Wirkungsmöglichkeiten als Staatsbürger betreffen würde, wobei ich das Gefühl habe, damit zu einer unbedeutenden Minderheit dieser Gesellschaft zu gehören. Zwar ist mir nun die Freiheit gegeben, mein Wahlkreuz an irgendeine Stelle einer langen Liste von Namen zu setzen – und das in einer Wahlkabine – (in der DDR habe ich mir einfach die Freiheit genommen, vor den Augen der Wahlhelfer einen Namen, der mir nicht paßte, von der Liste zu streichen); doch damit hat es sich heute im Wesentlichen auch schon. Briefe zu schreiben ist auch heute zwar erlaubt, aber nicht mehr per Gesetz mit jener minimalen Erfolgsgarantie wie „früher“. Und damit komme ich zur Auflösung meines eingangs formulierten Rätsels der K-Antwort.

Das „K“ soll nicht, wie Sie vielleicht vermuteten, für „Kanzler(in)“ stehen, sondern für „Keine“. Ich, der ich den voreiligen „Beitritt“ meines Heimatlandes immer als Fußtritt empfand, gab nämlich meine unangenehme Angewohnheit, hin und wieder, eben wenn der innere Drang mich unwiderstehlich trieb, Briefe zu schreiben, nach jenem Ereignis vor 20 Jahren nicht auf. Meine neuen Adressaten sollten vor allem wissen, was ich von ihrem Krieg auf dem Balkan und anderswo und von ihren desaströsen Glücksspielen im Weltfinanzsystem halte. Von Herrn Schröder als damaligem Kanzler und von Frau Bundeskanzlerin Merkel bekam ich die K-Antwort – Keine! Von Bundespräsident Herzogs Sekretär erhielt ich eine ähnlich belanglose Belehrung wie seinerzeit von meinem Parteisekretär, und von Bundespräsident Köhler wieder ein „K“.

Nun glauben Sie aber bitte nicht, ich sehnte mich nach der DDR-Bürokratie zurück, die ihre Funktionäre per Gesetz dazu verdonnerte, den Bürgern gefälligst zu antworten, wenn sie sich zu Wort meldeten! Nein, die Würde der Bürger sollte es doch nun endlich gebieten! Aber mit der ist es wie mit der im Grundgesetz „geschützten“ Würde des Menschen nicht weit her. Auch scheint es ja im Zeitalter der Massenkommunikation per Handy und Mail überhaupt aus der Mode gekommen zu sein, jemandem zuzuhören, geschweige denn zu antworten, schon gar nicht schriftlich und sachlich auf gestellte Fragen. Darüber sollten Leute, die das Wort Demokratie nicht oft genug in den Mund nehmen können, auch mal nachdenken: Wo alle nur mitreden wollen, erübrigt sich jedes Wort!

Über all das kann ich, quasi aus einer Zuschauerperspektive illusionslos lächelnd, hinwegsehen. Viel mehr betrübt mich, daß im linken politischen Spektrum – denn auch daran habe ich natürlich besserwisserisch herumzunörgeln – kaum bürgerfreundlicher reagiert wird als auf der anderen Seite. Etlichen Größeren schrieb ich. Erwidert haben mir Gregor Gysi und Dietmar Bartsch. Danke!