von Ines Fritz
Ich hatte mal ´nen Freund, ein sehr schöner Mann. Groß, schlank, dunkel, sportlich, graumeliertes, kurzes Haar, wunderbare Brummstimme, Stoppelbart, alles in allem ´ne Wucht mit Tüte. Er hat Politik studiert. Und Soziologie. Und Germanistik. Irgendetwas davon brachte er auch bis zu ´nem Abschluß. Als ich ihn kennenlernte war er Doktorand. Als er Colloquim sagte, bekam ich einen Ohrmuschelorgasmus. Er war auch sonst sehr klug, und auch links, wenn auch mehr so westlinks, also Marxist light. Politisch nicht ganz mein Ding, aber geht eben noch. Gerade so. Sein IQ liegt bei 146, ließ er mich wissen, mehrfach, und auch jeden anderen. Er pflegte Widerspruch mit Phrasen wie „a priori“ und „Ich habe das studiert“ abzubügeln, das war cool und klappte auch fast immer. Ich glaubte ihm sowieso jedes Wort sofort. Wir mochten ähnliche Musik, wir mochten scharfes Essen (und manchmal aßen wir gemeinsam), wir mochten beide gute Bücher (ich las sie, er meckerte darüber), und wir liebten beide ihn. Er war toll, sehr speziell, was Besonderes. Ich hätte ihm alles verziehen, selbst den Marxismus, nur eines nicht: Dummheit. Dumme Männer sind unsexy.
Aber es kam wie es kommen mußte, mit 40 beginnt der Ernst des Lebens: Raus aus dem Kapuzenpulli, rein ins Berufsleben. Er mußte sich bewerben, maximal halbtags, aber ausgerechnet im öffentlichen Dienst. Die Chancen standen nicht schlecht, sein zukünftiger Chef war zugleich sein bester Freund. Trotzdem brauchte er drei Tage Bedenkzeit, endlich seine Bewerbung abzusenden. Per Email.
Noch am gleichen Tag rief er mich an und erzählte mir seine Ängste. Davon, daß er den Job bestimmt nicht bekäme, er überqualifiziert sei (das sagte eigentlich ich), und daß er immer Pech habe. Daß zumindest ihm diese Angst kommt, wußte ich vorher, er ist ein Schwarzseher. Daß er mich darum anrufen würde, ahnte ich nicht. Ich versuchte, zu beschwichtigen und riet ihm, erstmal abzuwarten, bis er die Ablehnung in der Hand hielte, um dann eben Recht zu behalten. Und vielleicht wird es ja auch ´ne Zusage. Es sollte ein Witz sein. Er lachte nicht. Aber er erzählte mir, warum man ihn nicht nehmen wird, denn er ist ein Mann, und im Öffentlichen Dienst – vorsorglich hielt ich den Hörer vom Ohr – gäbe es eine Frauenquote. Beim Wort Frauenquote hob er seine Stimme, und ich wurde still. Frauenquote klang bei ihm schon im Ruhezustand etwas zu spitz. Über meine Bemerkung, daß er mir das hätte vorher sagen müssen, das mit dem Mannsein, lachte wieder nur ich. Über seinen latenten Machismo war ich bereits informiert. Er aber bemühte sich, mir zu erklären, daß das eben so üblich sei, Männer abzulehnen, weil sie Männer sind. Ich bemühte mich anzudeuten, daß es daran liegen könne, daß es zu viele Bewerber auf zu wenige Stellen gibt und darum sicher auch Frauen Ablehnungen bekommen, die dann aber kein Suspensorium enger schnallen und auf Weiber schimpfen … , und ich wurde übertönt: „DISKRIMINIERUNG“ schnarrte er ins Telefon. „ÜBERVOLLER ARBEITSMARKT“ plärrte ich zurück. Dann legten wir auf und ich unsere Beziehung ad acta. Den Job hat er dann bekommen.
Wir trennten uns recht bald. Er hatte jetzt viel zu tun und ich wenig Zeit. Allerdings hatte es auch was Gutes: Er hat gelernt, vor 10 Uhr morgens aufzustehen und ich, wie man effektiv flirtet. Die Frage nach der Frauenquote gehört jetzt zu meinem Standardflirtrepertoire. Dabei bin ich nicht mal dafür. Ich finde eine Elternquote wichtiger. Aber ich möchte mich mit keinem Mann kontinuierlich streiten müssen, der gegen Frauenquoten ist, weil er zu blöd ist, sie zu begreifen.
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