von Licia Matt
Die deutsche Kulturhauptstadt hat Jubiläumsjahr. Berlin? Wieso Berlin – Hauptstadt und Bewahrer der klassischen deutschen Kultur ist aus Weimarer Sicht immer noch Weimar. Zu den Klassikern gehören Goethe, Nietzsche und jetzt auch Walter Gropius. Und so wurde hier nicht nur die erste demokratische Verfassung von 1919 gleich in drei Parallelveranstaltungen abgefeiert, jetzt feiert die ganze Stadt eine der demokratischsten Kunstbewegungen in einem Komplettangebot: »Das Bauhaus kommt«, wahlweise: Aus Weimar, oder: Nach Hause.
Am 1. April 1919 erfolgt die offizielle Gründung des Staatlichen Bauhauses zu Weimar, im selben Monat veröffentlichen die Gründer das »Manifest« zur Reform der künstlerischen Arbeit, das den Satz enthält: Architekten, Bildhauer, Malel, wir alle müssen zum Handwerk zurück!
Pünktlich neunzig Jahre später begannen die Festwochen, mit Festumzug, Lesungen, Konzerten, das heißt, Klanginstallationen, und einem wirklich reformierten Ausstellungskonzept. Der brillante Schachzug besteht darin, nicht ein Museum dem Thema zu widmen, sondern die Stadt zum Ausstellungsort zu machen. Verschiedene Häuser werden mit Subthemen bespielt, das Goethehaus präsentiert Meisterwerke der Bauhauskünstler, das Schillermuseum macht Platz für die Geschichte der Baushausfeste. Das schafft Raum – für Ideen. Bei aller Liebe zu den immer schon liebevoll bewahrten Originalen können lebensgroße Projektionen des triadischen Ballets, Demonstrationen und 3-D-Weiterentwicklungen von Bühnenmodellen der Bauhäusler das Bauhaus eher »auf Augenhöhe« bringen als halbmetergroße Vitrinen oder selbst das Internet.
Dieses Konzept schafft im eigentlichen Bauhaus-Museum Weimars Raum für eine ebenso simple wie stimmige Einführung. Das Haus ist leer bis auf einen überlebensgroßen Comic oder Wandfries, der die Geschichte des Bauhauses ebenso minimalistisch wie zutreffend erzählt: »Henry, ich habe eine Idee!« Eine gelungene Überraschung, vor allem für den, der die etwas heimatmuseale Ausstellung kannte, die Originale und Ideen in kleine Kistchen sperrte.
Eine zweite Überraschung für Nichtweimarer ist die Entdeckung, daß die Klassikstiftung als wesentliche Kraft hinter diesem Ereignis steckt – auch hinter dem Eröffnungsevent Lange Bauhausnacht, bei dem eine mächtige Licht- und Tonprojektion den Theaterplatz selbst zur Bühne machte und auf vier Fassaden gleichzeitig die Geschichte des Bauhauses erzählte. Weder die Tatsache, daß der Inszenator am Lichtpult im Raumfahreranzug tanzte, noch daß Lichtsäulen mit Marschmusik am Nationaltheater ganz andere Assoziationen wecken können, konnte die Weimarer irgendwie aus ihrer Ruhe bringen. In fast Hacksscher Manier meinte einer der Zuschauer: »Ein Irrer wirft Schatten auf ein Haus.«
Wirklich Bauhaus zu sein, schien dagegen die Idee, »mobile Malschulen« zu eröffnen. Überall in der Stadt konnten Kinder Kreise, Drei- und Vierecke knallbunt bemalen, später am Abend war die Stadt voll mit kleinen Bauhausdemonstranten. Konsequent scheint auch die Idee der Bauhausstudenten, Postkarten mit einem Blinden zu vertreiben, der – in Anlehnung an Uwe Timms Aktion von 1975 – ein Schild trägt: »Ich kann kein Bauhaus mehr sehen.« Sein Blindenzeichen sind: ein Kreis, ein Dreieck, ein Quadrat …
Nichtsdestoweniger hat die ganze Stadt sich dem Marketing dieses Stücks Weimarer Klassik verschrieben. Wie sonst Goetheschokolade und Schillerlocken ist jetzt dieses Symboltrio ubiquitär – als Designschmuck, als Vasen im Blumenladen (für den Kulturbürger im Komplettangebot mit Goethes Ginkgo) und selbst eine Bäckerei hat ihr Brote so geformt: Hier kaufte Walter Gropius … Schön zu wissen, in Weimar muß die Kultur nicht hungern.
Noch bis zum 5. Juli 2009. Informationen: www.das-bauhaus-kommt.de
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