von Ines Fritz
Ich habe mal eine wunderschöne Geschichte geschrieben, über einen schönen Abend in einer anderen Stadt. Diese Geschichte haben nur wenige so verstanden, wie sie gemeint war. Es ging darin um Zärtlichkeit und praktische Widersprüche auf dem Weg zu ihr. Und ums Scheitern.
Manche vermuteten, es sei eine Allegorie mit politischem Anspruch. Bestimmt, weil ich wohl nie das Haus verlasse und darum meine Phantasie bemühen müsse, um etwas zu erleben. Mir war klar: Wenn ich den küsse, hält er es für ein Versehen. Andere meinten, es sei ein haßstarrendes Machwerk radikalfeministischer Bauart. Ich wußte: Wenn ich den küsse, hält er es für ein Attentat. Wieder andere dachten, ich hätte von vorn bis hinten gelogen. Ein Kuß wird da zwar zum Gottesbeweis, aber ich bin Atheist. Gedacht war das aber alles ganz anders: Es war nur das Protokoll eines mißglückten Flirtversuchs. Kein Drama und total harmlos, und auch nur zufällig ein Frau-Mann-Frau-Ding und eigentlich überhaupt nicht politisch und auch nicht gelogen.
Aber meine Biographie ist eben so, da geht manches nicht ohne Schlingern ins Ziel, und so etwas ging nicht: Singlemütter verlieben sich nicht, die suchen einen Vater und Ernährer. Und sie geben nicht vor dem Ziel auf oder gar klein bei. Singlemütter preschen über die Mittellinie den Ball voll ins Tor, oder sie sitzen auf der Auswechselbank. Ob das so ist oder wie es wirklich ist, interessiert dann im Detail nicht, denn Menschen lügen ohnehin und Frauen im besonderen. Als Singlemutter mit Kindern schiebe ich zum Beispiel nach häufig bekundeter Meinung anderer Tag für Tag Frust, ich habe keinen Sex und wenn doch, dann nur mit Verlierern, Verbrechern und wegen der Kinder. Behaupte ich was anderes, muß es falsch sein.
Weil ich Feministin bin, bin ich häßlich und verhüte mit dem Gesicht. Und weil ich Ossi bin, wünsche ich mir die Mauer zurück. Aber weil ich eine Frau bin, habe ich ein penisneidisches Opfer zu sein und kann nicht rückwärts einparken, quatsche aber dafür den ganzen Tag und heule zur Durchsetzung meiner Argumente. Das alles ist nicht schlimm, denn so sortiert man die Welt; aber wenn etwas von alledem nicht stimmt, muß ich mich erklären, und das ist nicht schön. Manchmal verliert man dann einfach die Lust. Eine Frau mit Kindern, die keine konventionelle Beziehung führt und auch nicht führen will, muß kaputt sein oder wenigstens dauernd jammern. Und sie ist grottenhäßlich. Vielleicht bin ich das, aber darum bin ich kein Single. Ich bin Single wie kinderlose Single Single sind, aber ich habe dabei Kinder. Ob mich ein Partner entlasten könnte, weiß ich nicht. Daß er es müßte, halte ich für anmaßend.
Mal ist es eben die Politik, die stört, selbstredend ihn und zwar meine, dann sind es verschiedene Erziehungsstile oder simple Besserwisserei – und zwar seine, nicht meine. Meine nennt sich in solchen Phasen bereits »Dominanz« oder »Herrschsucht«. Einmal durfte ich nicht mal mehr Rad fahren, weil er auch ein Auto hatte. Er wollte nur helfen, aber ich hatte nicht darum gebeten. Angenehm war das nicht, aber vielleicht waten es auch nur die falschen Männer. Und manchmal scheinen es eben auch die falschen Leser zu sein, denn oft wird, wenn auch erfolglos, in meinen Texten nach einem greifbaren Unsinn gesucht. Oder nach Haß, Wut und Zorn oder wenigstens ein bißchen Verzweiflung. Irgendwie bin ich ein Exot, ‘ne Emanze mit Kindern, ein Single mit Familie, ‘ne nette Linke ohne gelöffelte Weisheit, ‘ne Feministin mit Humor.
Ich kann auch darum nicht über Depressionen und Einsamkeit schreiben, aber über Lebenslust, Familie, geile Männer, eben über ein Leben als emanzipierte Mutter. Die enttäuschten Erwartungen über fehlende Männerverachtung und unbändigen Zorn in meinen Texten ersetzen dann notfalls freihändige Interpretationen. Selten sind sie zutreffend, aber oft unangenehm und kaum charmant. Eine Frau und Mutter zu sein und Zärtlichkeit mit anderen Männern zu thematisieren, ist ein Wagnis, das zu tiefer Erschütterung beim Leser führen kann. Und zu unbändiger Wut, wenn es ein Mann ist.
Damit ist mein Dilemma erklärt: Selbstbestimmte Sexualität und Lebenslust einer Mutter außerhalb einer schützenden Partnerschaft sind heute immer noch etwas für Dreigroschenromane und dort eine Phase, die als dunkles Kapitel irgendwann abgeschlossen sein muß – oder allenfalls als Seitensprung erzählbar. Ersteres wird spätestens mit einem gehauchten »Ja, ich will« beendet, dem anderen folgt mindestens Reue. Aber ich will nichts von alledem. Und darum scheint zu gelten, was mich kränkt: Wenn ich flirte, ist es pure Verzweiflung, wenn ich witzig bin, ist es Galgenhumor, und wenn ich darüber schreibe, nur ein Ventil. Ich bin aber wirklich eine nicht übermäßig unzufriedene, meist ausgeglichene Singlemutter mit Kindern, und die Paarbeziehungen, die es heute gibt, sind einfach nicht mein Ding. Aber ich mag trotzdem Männer, fühle mich jedoch dabei manchmal wie ein schwuler Profifußballer. Es gibt mich nicht öffentlich – und wenn, dann nur als bösen Witz.
Aber ich freue mich auf den Tag, an dem ich im Rahmen ausgleichender Gerechtigkeit und allumfassender Gesellschaftskritik zum Artikel über Frauen aus dem Osten einen Artikel über Männer aus dem Westen schreiben kann (vielleicht sogar öffentlich), ohne daß mich Männer und Frauen – aus West und Ost – dafür anplärren, als hätte ich einen Staatsstreich geplant und würde öffentliche Kastrationen fordern. Bis dahin würde es mir reichen, wenn die Mißversteher einfach nur gelangweilt weggehen, weil das ja alles schon so Scheiße ist und sie das sicher schon tausend Mal gelesen haben. Das wäre ein echter Fortschritt.
Schlagwörter: Ines Fritz