von Frank Burkhard
vor rund fünfzig Jahren hatte in mehreren Berliner Filmtheatern, darunter im Weißenseer »Toni«, Heiner Carows Jugendfilm »Sie nannten ihn Amigo« Premiere. Der DEFA-Film, der auf den Weltfestspielen der Jugend und Studenten in Wien 1959 mit einer Silbermedaille ausgezeichnet wurde, beruhte auf autobiographischen Erlebnissen des Autors Claus Küchenmeister. Sein Bruder wurde von den Nazis inhaftiert, sein Vater als Mitglied der Widerstandsgruppe »Rote Kapelle« hingerichtet. Die Hauptrolle des l3jährigen, der Amigo genannt wurde, spielte einfühlsam und überzeugend. der damals 19jährige Ernst-Georg Schwill. Er war im Jahr der Handlung, 1 939, in ärmsten Verhältnissen geboren worden. Als er den Amigo spielte, hatte er schon Rollen in drei weiteren Filmen hinter sich. Kürzlich kehrte Ernst-Georg Schwill zurück, um im »Tonino«, dem kleinen Bruder des »Toni«, seine Erinnerungen vorzustellen. Der Urberliner, der seit 1999 im Ermittlerteam des Berliner »Tatort« Lokalkolorit zu Verbreiten hat, berichtet darin von seinem ungewöhnlichen Weg in den Schauspielerbruf. Er wurde in einem Kinderheim für seine erste Filmrolle in »Alarm im Zirkus« entdeckt und wuchs in den Beruf hinein. »Eigentlich habe ich nur anderthalb Jahre in Babelsberg studiert«, verriet er, »denn ich war ja ständig zum Drehen beurlaubt!« Damals spielte er Hauptrollen in Frank Beyers »Fünf Patronenhülsen« und »Maibowle« sowie in »Silvesterpunsch« bei Günter Reisch, der auch ins »Tonino« gekommen war.
Schwill schreibt in seinem Buch über die kurze Zeit im Berliner Ensemble und die nachfolgenden Jahre, in denen er sich oft mit kleinen und kleinsten. Rollen zufriedengeben mußte. Er vergißt dabei auch nicht, immer wieder auch die politischen Umstände als kleine Randnotizen aufblitzen zu lassen. Dazu gehören die Erfahrungen in dem neuen, großen Deutschland, wo er sich gegen Stasi-Vorwürfe zur Wehr setzen mußte. »Das is doch keene Frage nich!« So heißt das reich bebilderte Erinnerungsbuch.
Es ist anzunehmen, daß Schwill das tun wird, was Herbert Köfer mit seinem Buch schon gemacht hat: Er liest es für ein Hörbuch. »Nie war es so verrückt wie immer« heißt die neueste Ausgabe der Erinnerungen von Herbert Köfer, die diesmal politisch weiter links liegt als der in den neunziger Jahren bei Ullstein auf den Markt geworfene Erinnerungsband. Köfer offenbart, was ihn mit dem Berliner Funkturm verbindet oder daß seine Filmpartnerin Gisela May ihn schon im Krieg im Film nicht ausstehen konnte. Köfer steht zu seinem Leben in der DDR, dazu, daß er als prominentes »Fernsehgesicht« privilegiert war, und dazu, daß ihn dies nicht vor allen Anwürfen schützen konnte. Auf der CD stimmt er zur Auflockerung das eine oder andere Liedchen an, und wer ihn hört (oder ihn auf seinen zahlreichen Lesungen sieht) wird kaum glauben, daß der Schauspieler schon auf die neunzig zugeht.
Ein Künstler, der – wenn überhaupt – mit neuen Hervorbringungen nur noch auf CD zu erleben ist, ist der Schauspieler Fred Düren. In Jerusalem, wo er seit rund zwanzig Jahren als Rabbi lebt, beging er im Dezember seinen 80. Geburtstag. »Da ich ein Leben mit allen Höhen und Tiefen, mit aller Freudigkeit und auch Tränen gelebt habe, war wirklich nur dieser eine Weg zu gehen, der, den ich in Israel jetzt gehe. Es ging für mich nicht darum, etwas zu verlassen, was mir nicht gefiel, sondern einfach das zu tun, was ich bis dahin nicht konnte oder von dem ich nicht wußte, es machen zu sollen«, sagt Düren in einem der Interviews, die Karl-Heinz Müller zu einem mit vielen Szenenfotos versehenen Band zusammengestellt hat. Fred Düren erinnert sich darin nicht nur an seine Arbeit am Theater und im Film, unter anderem mit Wolfgang Langhoff, Benno Besson, Horst Bonnet und Bernhard Wicki, sondern reflektiert auch seine Haltung zum Judentum. Nicht immer sind die Frager sattelfest, aber dafür zeugen die Antworten des großen Mimen von Weisheit und halten die Erinnerung an eine große Theater-Epoche wach.
Ernst-Georg Schwill: Is doch keene Frage nich, 224 Seiten, 19,90 Euro, Herbert Köfer: Nie war es so verrückt wie immer, 3 CDs, 14,90 Euro; Fred Düren: Ich muß ja den Weg gehen, den ich gehen kann, 190 Seiten, 16,90 Euro, alle in der Eulenspiegel-Verlagsgruppe
Schlagwörter: Ernst-Georg Schwill, Frank Burkhard, Fred Düren, Herbert Köfer