von Helge Jürgs
Die Rede soll hier nicht von mir gehen, jedenfalls nicht von mir als etwas Ganzheitlichem. Sie geht von meinen Gedanken. Nicht irgendwelchen, die wären nicht der Erwähnung wert. Die Rede geht von großartigen Gedanken, die mich immer wieder überkommen. Unglücklicherweise geschieht das bevorzugt dann, wenn ich unterwegs bin und nichts dabei habe, um sie festzuhalten. Oder noch mehr des Nachts, wenn ich – trotz der geballten Kraft des Arzneikürbisses – nach drittmaligem Aufsuchen der Toilette gottergeben darauf warte, wieder einschlafen zu können.
Genau dann, ausgerechnet, kommen diese Gedanken! Manchmal kommen sie als brillanter Aphorismus. Dann wieder als messerscharfe Geißelung der Machenschaften des Finanzkapitals. Oder als florettistisch-eleganter und zugleich entlarvende Polemik gegen populistische Mainstreampolitik. Oft kleiden sie sich in beißenden Spott, mit dem sie die Gebrechen des Kapitalismus der Lächerlichkeit preisgeben. Manchmal fliegen mir solcherart ganze Exposés zu, aus denen ich mühelos aufsehenerregende Sach- oder sogar Kochbücher sowie Belletristik betörendster Schönheit entwickeln könnte.
Was immer auch ihr Gegenstand ist: Immer jedenfalls sind diese Gedanken originell, überraschend in Argumentation und Pointierung, rundum erhellend und bereichernd sowieso.
Kurz bevor ich dann ja doch immer wieder einschlafe, weiß ich, daß, wenn ich das alles am folgenden Morgen aufschreiben werde, etwas Neues, Großes seinen publizistischen oder gar literarischen Anfang nehmen wird. Für mich und für die Leser!
Indes – sitze ich dann am Morgen vor dem unbefleckten Dateifenster meines Computers, sind all diese Gedanken wieder weg, außer jenem, daß sie mal dagewesen sind. Sie waren halt wohl nur auf der Durchreise.
Schlagwörter: Helge Jürgs