von Günter Wirth
In seinen unter verschiedenem Betracht aufschlußreichen Erinnerungen Die Geschichte kennt kein Pardon (Berlin 2008) kommt Kurt Pätzold auch auf eine Einladung zu sprechen, sich an der »Lidice-Initiative« zu beteiligen. Diese war in den frühen achtziger Jahren im Umfeld der (Prager) Christlichen Friedenskonferenz (CFK) entstanden, um das Gedenken an die Opfer des nazistischen Verbrechens an der Einwohnerschaft dieses kleinen tschechischen Ortes zu verbinden mit den aktuellen Problemen der Friedenssicherung.
Wenn diese Initiative in der alten Bundesrepublik ein besonders starkes Echo gefunden hatte, so hatte dies mit dessen Protagonisten zu tun, der von Pätzold auch namentlichen genannt wird: Klaus Ehrler.
Über Ehrler ist Ende vergangenen Jahres ein Buch erschienen, in dem – gerade auch an Texten von ihm – dessen Lebensweg nachgegangen wird. Der Wettlauf zum Frieden ist sein Titel – und ihn hat Ehrler tatsächlich absolviert, ohne Rücksicht darauf, welche Nachteile ihm dies bringen konnte. Ihm, der nach seinem Abitur 1948 in Nossen als »Bürgerlicher« in Leipzig nicht zum Studium zugelassen wurde, um dann nach Umwegen über eine Tätigkeit als Neulehrer und ein zeitweiliges Physikstudium an der Berliner TH Geschichte an der Freien Universität zu studieren und mit dem M. A. abzuschließen (übrigens einem sehr frühen M. A.).
Studentenbewegung, Mitglied des Konvents der Freien Universität, APO, Republikanischer Club, Christlicher Friedensdienst, CFK und Weltfriedensbewegung sind die Stationen dieser immer konsequenter werdenden Friedensarbeit, beruflich einigermaßen stabil nur während einiger Jahre bei der Westberliner Historischen Kommission.
Klaus Ehrler hat seine Friedensarbeit nie »allgemein« und nicht nur von je aktuellen Erfordernissen her gestaltet. Sein reiches bildungsbürgerliches Erbe und seine fulminanten Kenntnisse mobilisierend, ging es ihm immer darum, konkrete Symbole und genau faßbare historische Paradigmen auf die gegenwärtige Friedensarbeit zu beziehen. Von hier aus war die Lidice-Initiative bestimmt, zuvor schon eine Jesaja-Konferenz (Schwerter zu Pflugscharen, Jes. 2,4), dann ein Abrüstungsgebetstag am 17. Juni zum 50. Jahrestag des Giftgasverbotes (1970), später eine Torgau-Initiative zum 40. Jahrestag der Begegnung amerikanischer und sowjetischer Einheiten an der Elbe, schließlich – nach der Wende – die Petition über ein Luftkriegsverbot Ende der neunziger Jahre, aktuelle Ereignisse des Luftkrieges über Serbien verbindend mit der Erinnerung an ein Verbot, Geschosse und Sprengstoff aus Luftschiffen abzuwerfen, vor damals hundert Jahren völkerrechtlich verbindlich geworden. Bei der Übergabe dieser Petition an Bundestagspräsident Thierse war Ehrler dabei.
Seiner Friedensarbeit legte Klaus Ehrler diese von ihm formulierten Prinzipien zugrunde – man wird sie als allgemeingültige Norm anerkennen können: Universalität, Kontinuität, Publizität, Seriosität und Solidarität. Klaus Ehrler hielt sie bis zu seinem Tod im September 2005 in seltener Treue ein.
Der Wettlauf zum Frieden, Klaus Ehrler in Texten und Kontexten, herausgegeben und kommentiert von Ingrid Ehrler, Pahl-Rugenstein Verlag Nchf. Bonn 2007, 212 Seiten 16,90 Euro
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