Des Blättchens 11. Jahrgang (XI), Berlin, 23. Juni 2008, Heft 13

Die fünfte Zunft

von Wilhelm von Merckel

Wilhelm von Merckel (* 6. August 1803; † 27. Dezember 1861 in Berlin) war ein deutscher Jurist und Schriftsteller. Das Spottgedicht auf die demokratische Emanzipation entstand im Revolutionsjahr 1848

1. Als der Herr nach seinem Plan
alles hat erschaffen,
däucht ihm alles wohlgetan:
Engel – Menschen – Affen.
Jegliches in seiner Art,
war nach Weisheit offenbart,
und sogar am Teufel
hatt’ Er keinen Zweifel.

2. Aber dabei blieb es nicht,
wer das meint, der irrt sich!
Eine Spielart kam ans Licht
anno achtundvierzig.
Die Natur hielt Niederkunft,
und gebar die fünfte Zunft,
obwohl sehr mißraten,
die der Demokraten!

3. Etwas haben sie an sich
von jedweder Race:
Menschen sind sie äußerlich,
nach Gesicht und Masse,
Affen je nach Tracht und Bart,
innerlich ist’s Teufelsart,
und mit Engelszungen,
kommen sie gesungen.

4. Ohne Heimat, ohne Paß,
nirgends, allerwegen,
wandern sie ohn Unterlaß,
auf geheimen Stegen.
Wie der Kobold, immer nah,
schnell auf’s Hexenzeichen da,
allezeit gewärtig,
immer fix und fertig.

5. »Freiheit« ist das Feldgeschrei,
»Freiheit« die Parole,
hintennach die Tyrrannei,
schleicht auf weicher Sohle.
Lauernd lugt sie um die Eck,
»Freiheit!« ist der frische Speck,
Putsche und Krawalle
sind die Mäusefalle.

6. »Alles für das Heil der Welt,
Volk von Gottes Gnaden!
Jeder Gauner wird ein Held
auf den Barrikaden.
Immer drauf, die Fürsten fort,
Gotteslohn für Brand und Mord!
Euer sind die Taten,
unser ist der Braten!«

7. Also hausen durch das Land
die unsaubern Geister,
bis das Kreuz mit fester Hand
drüber schlägt der Meister.
Bei dem ersten Trommelklang
fahren sie davon mit Stank.
Gegen Demokraten
Helfen nur Soldaten !

»Man kann das Demokratentum links liegenlassen, man kann König und Adel und Heeressiege mit Aufwand aller Kräfte feiern – ich habe nichts dagegen, ich vermag mich dran zu erquicken, wenn’s was damit ist, aber das im Ganzen große Streben unsrer Zeit in solcher Weise zu negieren, auf Kosten aller Wahrheit u. selbst des gesundes Menschenverstandes angreifen, das ist bloß noch lächerlich.«

Theodor Fontane an Bernhard von Lepel über Merckels sinnverwandtes Gedicht »Germania«, in dem dieser 1850 die revolutionär-demokratische Bewegung gar als »Bastard des Jahrhunderts« denunzierte.