Des Blättchens 11. Jahrgang (XI), Berlin, 23. Juni 2008, Heft 13

Der Coup um den Propeller

von Martin Franke

 

                           Wir brauchen keine Revolutionäre.  Wir brauchen Pflüger.

Wichotzki

Flugbert Pfrieder, der Nachtwächter des Abgeordnetenhauses, fuhr in ein Dorf am östlichen Stadtrand Berlins. »Nun, was ist«, sagten die Oppositionskollegen beim Abschied, »da Sie schon hinfahren, können Sie doch ein bißchen Werbung machen, dort, wie? Sagen sie den Ossis, so und so, der Senat will das Flugwesen abwickeln … Vielleicht schließen sie sich für uns zusammen, für unseren traditionsreichen, alten Flugplatz!« »Da könnt ihr versichert sein«, antwortete Flugbert, »ich werde schon tüchtig Reklame machen. Wäre was anderes, wenn es nicht ums Flugwesen ginge, aber darüber, seid unbesorgt, werde ich schon was Richtiges sagen!«

Flugbert begab sich gleich nach seiner Ankunft auf den Anger und schlug sein Infozelt gegenüber einer Imbißbude auf. Als erstes wurde er von einem Hartz-IV-Empfänger angepöbelt: »Für sowat hamse Jeld …«

»Kann man denn hier nicht ein bißchen Werbung für seine freie Meinung machen?«, klagte Pfrieder. »Agitiert nur, Väterchen, agitiert nur!«, riefen ihm drei bärtige Trinker zu und nahmen jeder einen großen Schluck Stolitschnaja.

Pfrieder betrachtete sein Publikum, warf sich in Positur und begann: »Also, so ist das … Das Flugwesen, werte Anwesende … Da ihr ein – naja na Gott – ein von dunklen Mächten verbildetes Volk seid, werd ich es euch lieber mit Politik erklären. Hier, sagen wir mal, ist Saarbrücken, da Paderborn, und dort vielleicht Brüssel … Hier Graz, und da … Naja, und überhaupt …« »Alter, watt willste uns denn erzählen«, warfen die Trinker ein. »Wovon ich euch erzählen will? Vom Flugwesen, natürlich! Blüht halt sehr auf, das Flugwesen! Hier ist also Rußland, und hier – Afghanistan!« Die Trinker hörten finster zu. »Quatsch nicht so kariert! Komm zu Potte!«

»Mach ich doch«, sagte Flugbert eingeschüchtert. »Ich rede ja über das Flugwesen … Dieser Senat will es abwickeln, obwohl es doch aufblüht, liebe Freunde! Was wahr ist, ist wahr!« »Hm! Nicht so abgehoben! Komm rum, Alter!« Flugbert trat auf die Trinker zu. Drei Wodkaflaschen reckten sich ihm entgegen wie Mikrophone.

»Also, liebe Mitbürger … Man baut einen neuen Flughafen. Im Osten! Und unser traditionsreiches Tempelhof wird von Rot-Rot abgewickelt! Natürlich kann Berlin sich drei Flughäfen eigentlich gar nicht leisten, aber ohne diese Relationen, ohne diesen hochmodernen Flughafen, werden wir Provinz! Bums! Krach! Ein finanzielles Loch bleibt übrig!«

»Ist ja kein Dukatenscheißer!«, sagten weise die Trinker.

»Eben, das sag ich ja auch!«, freute sich Flugbert über die Anteilnahme. »Natürlich, um’s Geld geht’s nicht. Sondern um die Luftbrücke! Und in dieses Loch passen Schulen, Schwimmhallen, … ritsch-ratsch, weg sind sie! Auch Straßen …«

»Und Krankenhäuser? Auch Krankenhäuser, Alter?« »Auch Krankenhäuser!«, sagte stolz, im Brustton der Überzeugung, der Redner. »Paßt alles rein!«

»Und das soll jetzt abgewickelt werden?«

»Eben! Das sag ich ja! – Und darum meine ich, liebe Freunde, gebt ihr alle am Sonntag eure Stimme.« »Und wofür, Alter?« »Für den Zentralflughafen natürlich!«, sagte triumphierend der Redner.

Die Trinker lächelten sehr finster, nahmen einen Schluck und wandten sich ab.

Stimmen für seinen alten Flughafen brachte Pfrieder nicht zusammen, die Ossis waren eben doch noch ein zu rückständiges Volk.