Des Blättchens 11. Jahrgang (XI), Berlin, 12. Mai 2008, Heft 10

Schwierigkeiten mit der Liebe in Polen

von Maria Szyszkowska, Warschau

Die Amerikanisierung der polnischen Gesellschaft beunruhigt mich. Zugleich muß ich gestehen, daß ein Fest der Liebe einen tiefen Sinn hat. Allerdings frage ich mich, warum wir es nicht vermögen, dem Valentinstag einen Ausdruck in unserer Muttersprache zu geben. Ich befürchte, hier behält wieder einmal Juliusz Slowacki mit seiner vor langer Zeit gemachten Äußerung recht. Die Dinge, die aus dem Westen zu uns kommen, ahmen wir besonders eilfertig nach.
Die erotische Liebe wird bei uns verschämt versteckt. Das Christentum verband sie, ja alles Körperliche, mit der Sünde. Folglich ruft bei vielen Menschen auch heute noch die erotische Liebe Schuldgefühle hervor. Ihr wird die geistige Liebe als »rein« und angeblich höherwertig entgegengestellt. Der Unsinn dieser Auffassung rührt aus der ungenügenden Berücksichtigung der Tatsache, daß wir Menschen eine psychosomatische Einheit sind. Außerdem sollte bedacht werden, daß erotische Liebe geistige Selbständigkeit erfordert. Gern wird bei uns die Ansicht vertreten, daß erotische Liebe ein Mittel zur Reproduktion der menschlichen Gattung zu sein habe. Selbst bei der kirchlichen Trauung konzentriert sich das Augenmerk auf die Kinder, denen die Neuvermählten zum Leben verhelfen sollen, kaum aber auf die gegenseitige Liebe.
Erotische Liebe bringt jene Bestätigung mit sich, auf die ein jeder von uns angewiesen ist. Sie steigert die Begeisterung für die Welt und den Optimismus. Eines der Vorurteile, an denen es ohnehin in unserer Gesellschaft nicht mangelt, verbindet Erotik mit biologischer Jugend.
Am Valentinstag lassen wir unseren Gefühlen freien Lauf, die im Alltag häufig versteckt und nicht immer deutlich wahrgenommen werden. Die erotische Liebe fordert das Gefühl der Freiheit heraus. Nicht verwunderlich folglich, daß totalitäre Systeme erotische Liebe nur unter bestimmten Bedingungen akzeptieren. Und zwar in ihrer Eingrenzung auf die schwer zu trennende Ehe, die, wie gesagt, hauptsächlich der Geburt von Kindern zu dienen habe.
Die Liebe zeichnet ja gerade aus, daß es unmöglich ist, sie rational zu erklären. Zwar könnte man erklären, weshalb bestimmte Personen sich anfreunden, doch nicht, weshalb sie sich ineinander verlieben. Dieser Lebensbereich ist nach unserer Lebensart allerdings hauptsächlich für die – nach dem Kalender – jungen Menschen reserviert. Der Druck der Sitten ist derartig mächtig, daß die Angst, sich wegen der Verletzung der Sitten der Lächerlichkeit preiszugeben oder aber den Groll der eigenen Kinder auf sich zu ziehen, häufig wahrhafte Tragödien entstehen, die durchaus unnötig sind. Der Bereich, in dem ein jeder freie Wahl hat, unterliegt immer noch unterschiedlichen familiären und auf das Milieu zurückführenden Zwängen.
Die erotische Liebe bildet den Anstoß zu schöpferischen Leistungen bei Dichtern, Schriftstellern, Musikern, Malern. Die uns literarisch überlieferte Liebe zwischen Abélard und Héloise, Tristan und Isolde, Solveig und Peer Gynt scheint uns ganz ebenso wirklich zu sein wie die Liebe zwischen Salvodor Dali und Gala oder die Liebe zwischen Onassis und Maria Callas.
Verschandelt aber wird das Fest der Liebe bei uns tagtäglich in der Werbung, was ganz besonders in der Außenwerbung seinen Ausdruck findet. Die unterschiedlichsten Waren werden dort mit unterschwelligen Appellen an die heimliche Erotik potentieller Kunden beworben. Ganz gleich, ob es sich dabei um das Anpreisen von Kaffee, Möbeln oder Damenunterwäsche handelt. Ein Bekannter aus dem Iran, mit dem ich mich kürzlich unterhalten konnte, war darüber erstaunt, wie bei uns in Europa erotische Dinge einen derartigen Handelscharakter annehmen konnten. Und er war überhaupt verwundert, daß wir Europäer so verschwenderisch mit Erotik umspringen, denn schließlich entkräfte zu Verkaufszwecken gebrauchte Erotik den Wert dieser so unermeßlich wichtigen Lebenssphäre des Menschen.

Aus »Trybuna«, Übersetzung: Holger Politt