von Ines Fritz
Seit 1995 gibt es in Deutschland den § 219 StGB, dieser besagt, daß eine Schwangere sich einer Konfliktberatung unterziehen muß, um einen so genannten Beratungsschein zu erhalten. Dieser wird benötigt, um einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen.
Im Jahr 2006 wurden in Deutschland 119710 Schwangerschaftsabbrüche registriert, über 97 Prozent (in Summe: 116636) fanden auf Grundlage der sogenannten Beratungsregelung statt. Dazu hat eine Beratung nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz durch eine anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle zu erfolgen. Die Anwesenheit des Kindsvaters bei einem Beratungstermin ist nicht erforderlich. Das halte ich für kritikwürdig, weil im Konfliktfall, der ja eben den Beratungswunsch erzeugt, die Inanspruchnahme des Vaters überaus angebracht und hilfreich wäre.
Eine Beratung, die im Sinne des § 219 StGB eine »verantwortliche und gewissenhafte Entscheidung« fördern und außerdem die Absicht stärken soll, »die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen«, ist ohne den Vater nicht konsequent durchsetzbar.
Wenn ich den Ausschluß der Väter aus dem Schwangerschaftskonflikt beklage, geht es mir dabei nicht darum, die Schwangere mit Hilfe des Vaters zur Geburt zu drängen, sondern darum, beiden Elternteilen ihre Verantwortung für das werdende Lebewesen zu verdeutlichen. Es scheint wenig sinnvoll, die Schwangere in einer solchen Notlage mit einem Dilemma alleinzulassen und zwar mit dem gesetzlich geduldeten und politisch erwünschten Ausschluß der Väter aus der familiären Verantwortung. Der Wunsch der Schwangeren nach freier Entscheidung ist in jedem Fall zu akzeptieren. Die Gewährleistung einer freien Entscheidung der Schwangeren zu gewährleisten und begleitend zu unterstützen, ist eine zentrale Aufgabe der Beratungsstelle.
Der Vater hat allerdings ein Recht darauf, über einen derartigen Konflikt informiert zu werden. Inwieweit er dem Beratungsangebot Beachtung schenkt, sich einbringt oder sich weiterhin verweigert, entscheidet er. Mitunter sind die Ausflüchte jener verantwortungsscheuen Kindsväter abenteuerlich und unsinnig. Aber daß er von der Schwangerschaft in Kenntnis gesetzt wird, ist wichtig, um der Verantwortung auch für die Schwangere, für sein Kind, überhaupt gerecht werden zu können. Diese Benachrichtigung sollte auch gegen den Willen der Mutter erfolgen können. Denn ihr gehört zwar ihr Bauch, aber nicht der Inhalt. Sie soll sich zwar weiterhin allein und eigenverantwortlich für oder gegen die Schwangerschaft entscheiden; aber sie sollte es nicht ohne Anteilnahme des Vaters tun.
Zwischen einem Beratungstermin und einem Schwangerschaftsabbruch verstreichen drei Tage Bedenkzeit, so daß ein Zweittermin mit dem Vater terminlich zu bewerkstelligen ist. Der Beratungsschein kann bis dahin in der Beratungsstelle verbleiben und wird erst zum Zweittermin ausgereicht. Hat der Vater kein Interesse oder verweigert begründet oder grundlos die Beratung, ändert sich an der Notlage der Schwangeren nichts grundlegend. Dabei geht es nicht darum, einen Erzeuger auszuforschen, sondern um das Vertrauen in die Schwangere, alles zu versuchen, die Schwangerschaft als liebevolle Mutter zu beenden und glücklich ein gesundes Kind zu entbinden.
Eine schwangere Frau muß in aller Regel nicht darüber aufgeklärt werden, »daß das Ungeborene (…) auch ihr gegenüber ein Recht auf Leben hat«, wie es als Anspruch im § 219 Abs. StGB heißt. Aber diese Kenntnis auch in aller Konsequenz in eine Entbindung münden zu lassen, wird nur in seltenen Fällen ohne Mithilfe und Unterstützung durch den Vater möglich sein. Vaterlosigkeit begründet dabei kein Abtreibungsrecht, so etwas wird und soll es nicht geben, aber Alleinelternschaft ist eben eine Überforderung, die sehr wohl einen Konfliktfall darstellt. In diesem Ausnahmefall wäre die Verantwortungsverweigerung der Frau gleichzusetzen mit der Verantwortungsweiterleitung der Kindsväter und deshalb moralisch konsequent.
Auch wenn das Kindswohl in den gesellschaftlichen Debatten selten mehr als ein Hintergrundrauschen auftritt, ist es doch wohl besonders für die überforderte Schwangere von Bedeutung, wenn sie als alleinig Verantwortliche auch die negativen Folgen der Verantwortungsflucht des Vaters zu tragen hat! Die Schwangerschaft abbrechen darf sie im Sinne des StGB § 218a eben unter gewissen Voraussetzungen, sogar grundlos und straffrei.
Allerdings entbindet sie diese Notlösung nicht der moralischen Verantwortung, die nicht zuletzt vom gesellschaftlichen Umfeld produziert wird. Diese wird wohl vor allem von der Frau selbst getragen, wenn und weil die Erzeuger von den abgebrochenen Schwangerschaften nichts erfahren (müssen). Tote Kinder stellen keine Forderungen – auch nicht an ihre Väter. Letzten Endes wird den Wortreichen kaum eine andere Position als die des Zeigefingerwedlers im Beobachterstatus zustehen, um sich doch noch zum Richter und Henker der bösen »Kindsmörderinnen« zu erheben, welche viel Schuld, aber keine moralisch verantwortlichen Väter für ihre Kinder vorweisen können. Dabei gäbe es eine einleuchtende Lösung: Die Ausweitung der Beratungspflicht im Sinne des § 219 StGB auf werdende Väter. Das könnte die Väterrechte stärken, die man auch am Ungeborenen nur durchsetzen kann, wenn man darum weiß. Außerdem könnten durch die frühzeitige Inanspruchnahme eines Vaters einschließlich seiner fürsorglichen Pflichten die Frauenrechte besser gesichert werden – nicht zuletzt gegen gendertechnische Verwirrungen, denn nur liebende Eltern sind glückliche Eltern.
Ebenso dürfte staatlichem Interesse gedient sein, denn Kinder mit zwei Elternteilen fallen weit seltener in staatliche Verantwortung. Zudem würden die materielle wie soziale Verantwortung und die gesetzliche Gleichstellung zwischen Mutter und Vater (auch in der Vorbereitung auf die Elternschaft) unabhängig von ihrer Beziehung zueinander endlich konsequent durchgesetzt werden.
Schlagwörter: Ines Fritz