Des Blättchens 11. Jahrgang (XI), Berlin, 31. März 2008, Heft 7

Generationentreffen

von Paul

In einer vollbesetzten Straßenbahn sitzt eine beleibte junge Frau auf einem Sitz für vier – allein. Sie murmelt Unverständliches, unterbricht ihr Selbstgespräch nur, um hochzuziehen und zu schniefen. Eine schlanke alte Frau setzt sich zu ihr: »Ist das Englisch oder Deutsch?«

»Deutsch, mmhcsch«, antwortet die junge Frau verlegen.

»Ja, wissen sie, ich hör nicht mehr so gut, und der Krach von der Straßenbahn …«

»Ja, so ist das wenn man alt wird.«

Die Ältere halb abwesend: »Ja, ja.«

Deprimiert: »Ich werd nicht alt.«

Die alte Frau nachdenklich: »Ach, das hab ich in ihrem Alter auch immer gedacht; aber Bomben und Kriege hab ich überlebt; immer wenn ich im Keller saß, dachte ich: Das überlebst du nicht.«

Ein »Jaa« wird von der Jüngeren zurückgegeben.

Die Ältere gibt einen hilfreichen Rat: »Sie geben sich einfach ein wenig Mühe, und dann wird das schon.«

Ein verlegender Abschiedsgruß folgt: »Ja, auf Wiedersehen.«

Das vorher belebte Gesicht der jungen beleibten Frau mit Schlabberklamotten und Basecap verdunkelt sich im Aufstehen. Beim Umwenden zieht sie den Kiefer zurück und schnalzt abwesend. Beim abrupten Abbremsen der Bahn stolpert sie haltlos an die umherstehenden Menschen. Mit leerem Blick beginnt sie wieder zu murmeln, zu schniefen …