von Ines Fritz
Alljährlich im Januar treffen sich in Magdeburg die Nazis, dabei gedenken Sie der Bombardierung Magdeburgs am 16. Januar 1945 und »DEN Opfern des alliierten Massenmordes«. Kurzum: Sie verdrängen gern wichtige und ihnen unangenehme Wahrheiten und sind auch grammatikalisch keine Vorbilder. Manchmal ist es erwünscht als Bürger dagegen zu protestieren, manchmal nicht. Dieses Jahr durfte man am 19. Januar protestieren, Magdeburgs Oberbürgermeister zeigte sich in der Volksstimme verständnisvoll und risikobereit, die mutmaßlich »brennenden Container und fliegenden Flaschen« in Kauf zu nehmen und den Nazis nicht die Straße zu überlassen. Aus Zorn darüber belagerten die braunen Bordsteinschwalben ganze Stadtteile.
Frohen Mutes starteten wir in den bürgerengagierten Showdown und in die Aktion Zivilcourage gegen Rechts – es war samstags, das Wetter schlecht, und die Geschäfte schlossen ohnehin, sobald eine Horde potentieller Containeranzünder und Flaschenwerfer zu erspähen war. Überall fand man auch einen Parkplatz. Der Rest verlief ebenso erstaunlich: Die Nazis durften polizeigeschützt durch die Innenstadt marschieren, die Antifaschisten wurden eingekesselt und kauerten als der Gewalt verdächtigte Fraktion isoliert im Nieselregen hinter Polizeiketten. Manche wurden zur Aufmunterung auch mit Pfefferspray und Reizgas besprüht, als sie »langsam und mit erhobenen Händen auf eine Polizeikette zugehen« (Volksstimme vom 21. Januar 2008). Die Linken wurden kontrolliert durch die Stadt verschoben. Die Nazis konnten zwar nicht die geplante Demo-Route absolvieren, aber dafür vereinnahmten sie die halbe Innenstadt und hinderten uns letzten Endes auch noch am Heimweg. In die Nähe der Nazis gelangte nur, wer sich optisch unauffällig gab und von dem – so getarnt – kein politischer Protest zu erwarten war. Sobald man es allerdings wagte, irgendein Zeichen gegen Rechts zu setzen, wurde man geübt zur Seite geschoben.
Deswegen war nicht nur der rechte Trauerzug wegen schweigender Blödheit und verlogener Geschichtsverdrehung reichlich frustrierend, sondern auch der Umstand, daß die vom OB geforderte Zeichensetzung kaum über einen eben so mausgrau trüben Bürgerprotestmarsch zur Mittagszeit hinauskam. Die soziale und infrastrukturelle Separierung der Antifaschisten als Krawallmacher, Containeranzünder und Flaschenwerfer tat dann das übrige, um rechtes Fußvolk in gesellschaftlicher Akzeptanz zu wähnen. Dabei sind die Rechten ganz offenkundig gegen jegliche Ratio immun – und auch gegen Grammatik! Ihr blödes Transparent gegen das Vergessen: »Wir gedenken DEN Opfern des alliierten Massenmordes« schleppen die Dussel seit mehreren Jahren durch Magdeburg. Schon im Januar 2005 entblödete sich die mittlerweile verbotene Kameradschaft Tor (kein Scherz!) nicht, derartiges zu verbreiten (Der Spiegel, 27. Januar 2005).
Es gibt jedes Jahr ein großes Hallo, wenn die Ewiggestrigen den Beweis für die Erkenntnisresistenz mit Stolz geschwollener Jungmännerbrust vor sich hertragen. Allerdings brauchen sie sich dabei nicht vor der Lächerlichkeit zu fürchten. Anstatt die Bevölkerung vor den Nazis zu schützen und Antifaschismus als willkommene Geste zu erlauben, schützte man dieses Jahr in Magdeburg die Nazis davor, durch die Präsenz protestierender Bürger versehentlich ihre verzerrte Wahrnehmung, die Geschichtsverdrehung und die Grammatikstümmeleien zu erkennen und zu überwinden.
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