von Heerke Hummel
Denken Sie sich bitte ein Labyrinth der Art, daß demjenigen, der nach dem Ausgang sucht, das Wasser bis zum Halse steht, und er, da das Gelände uneben, den richtigen Weg nur mit den Fußspitzen ertasten kann – stets in Gefahr, in der Flut zu versinken. Dieses Bild habe ich vor Augen, wenn ich heutige Regierungen (und nicht nur diese) in ihrem Bemühen sehe, aus dem Schlamassel des Finanzsystems und seiner Krisen herauszukommen. Mit »Versuch und Irrtum« ist die Methodik ihrer Arbeitsweise wohl treffend umschrieben; oder besser noch: »Allein der äußersten Not gehorchend«. Manchmal gelingt auch ein Schritt in die Richtung, die stimmt. Einen solchen ganz winzigen hätte unlängst Präsident George W. Bush mit seinem Vorhaben getan haben können, die variablen Zinssätze für Kreditnehmer mit geringer Bonität für fünf Jahre einzufrieren.
Experten schätzen, daß in den USA bis zu zwei Millionen Hauskäufer bedroht sind. Für viele schlecht Abgesicherte soll 2008 der Zins so stark anwachsen, daß er sie finanziell überfordern wird. In den nächsten zwei Jahren sind zunächst vor allem jene Hausbesitzer betroffen gewesen, die zwischen Anfang 2005 und Mitte 2007 einen Kredit mit variablem Zinssatz aufgenommen haben. Bush warnte, wenn der Immobilienkrise nicht Einhalt geboten werde, könne es negative Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft geben. Schon im dritten Quartal 2007 war gegen eine halbe Million Hauskäufer eine Zwangsvollstreckung eröffnet worden. Deshalb rief Bush Investoren und Kreditgeber auf, sich der Initiative anzuschließen. Sie müßten, so Bush, »ein Interesse daran haben, mit den Kreditnehmern zusammenzuarbeiten, um Zwangsvollstreckungen zu verhindern«.
Ausgearbeitet wurde Bushs Plan vom US-Finanzministerium in Kooperation mit großen Baufinanzierern und Investoren. Für die sei er aber nicht verpflichtend, hieß es, der Plan setze auf freiwillige Beteiligung. Eben darum war das öffentliche Echo auf Bushs Initiative so außerordentlich gering. Ihre Bewertung bedarf des Konjunktivs: … hätte können sein ein winziger Schritt, wenn denn präsidialer Wille und Mut gewesen wären, den privaten Großverdienern ihre Freiheit, ohne Leistung zu scheffeln, zu nehmen und ihnen seinen Plan, der so nicht mehr als eine vage, gut gemeinte Idee ist, aufzuzwingen – wo er doch der ganzen Welt seine abenteuerliche Kriegspolitik schon aufgezwungen hat.
Was für ein Zwerg in ökonomischen Fragen – etwa im Vergleich zu Ex-Präsident Richard Nixon, der 1971 in höchster Not kurzerhand die Golddeckung des US-Dollars abschaffte und so das internationale Währungssystem revolutionierte! Der wußte zwar auch nicht, was er da eigentlich tat, aber immerhin wagte er einen gewaltigen Schritt – und auch noch in eine Richtung, in der eine Entspannung der Lage zu finden war! Seitdem sind weitere Maßnahmen längst überfällig. Aber weil sie mangels Einsicht – und auch privater Interessen – nicht getroffen werden, wankt das internationale Finanzsystem von Krise zu Krise.
Bush wird in die Geschichte voraussichtlich als Versager auf allen Gebieten eingehen. Hier wäre noch einmal die Gelegenheit gewesen, wenigstens innenpolitisch zu punkten – wenn er denn mit der Macht seines Amtes seinen im Prinzip richtigen Plan durchgesetzt und die Zinslasten der Betroffenen eingefroren hätte. Und als wahrer ökonomischer Erfolgspräsident würde er die Bühne verlassen, wenn er ihnen die Zinsen nicht nur einfröre, sondern ganz erließe und damit die Abschaffung der Zinsnahme überhaupt einleitete. Denn das wäre nach der Verstaatlichung des Geldwesens im Zuge der Maßnahmen von 1971 ebenso möglich, wie im Interesse seiner Regulierung, also des Allgemeinwohls, eine staatliche Einflußnahme auf das gesamte Währungs- und Finanzsystem überfällig ist.
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