Des Blättchens 11. Jahrgang (XI), Berlin, 21. Januar 2008, Heft 2

Glaubensfrage

von Günter Krone

In einer Rede mit dem Titel Parlamentarische Arbeit, politische Kultur und das christliche Verständnis vom Menschen, die ein glaubensstarker Politiker der ersten Garnitur seiner Partei vor einem erlauchten Kreis von Parteifreunden und Sympathisanten gehalten hat, findet sich die beachtenswerte Passage: »Falsche Versprechungen und zu hohe Erwartungen rufen unvermeidlich Enttäuschungen hervor. Es ist schlecht, Unrealistisches zu versprechen, aber man muß auch kritisieren, daß Versprechungen zu leichtgläubig geglaubt werden. Die Schuld liegt nur zu einem Teil, vielleicht zum größeren Teil, bei dem, der sich in Versuchung führen läßt, zu versprechen. Sie liegt aber auch bei dem, der wider alle Erfahrungen nichterfüllbare Versprechungen glaubt«.

In Strafprozessen führt dusselige Vertrauensseligkeit nicht selten zur Strafmilderung für den Betrüger. Wer mit einem Renditeversprechen von fünfzig Prozent Leichtgläubigen ihr Geld aus der Tasche zieht, bekommt vom Richter attestiert, daß die Geschädigten es ihm leicht gemacht haben und so gewissermaßen eine Mitschuld an ihrem Reinfall tragen.

Diese Parallele zwischen kriminalem Milieu und politischen Gefilden muß aus dem Unterbewußtsein des Redners an die Oberfläche gerutscht sein. Denn daß er den von Politikern Enttäuschten die Mitschuld an ihrer Enttäuschung aufdrückt, ist mit »christlichem Verständnis vom Menschen« überhaupt nicht und nur mit einer Auffassung von »politischer Kultur« zu erklären, die jenen Schwindler nicht verurteilt, der seinen Schwindel als Kunst des Möglichen unter die Leute bringt.

»Unrealistische« und »nichterfüllbare« Versprechungen von Politikern sind ja in der Regel gar nicht objektiv »nicht erfüllbar«. Wer objektiv »nicht erfüllbare« Versprechungen abgibt, ist so blöd, daß er nicht mal für die Politik tauglich ist, weil die Zahl der Unheilbaren, die solchen Unfug glauben, so gering anzusetzen ist, daß von ihnen kein Mandatar leben kann. Die Versprechungen von Politikern sind gemeinhin durchaus »erfüllbar«, nur manche von ihnen behandeln sie so wie Heiratschwindler ihre Eheversprechen. Wenn die das Geld der umworbenen Frau eingesackt haben, halten sie nicht, was sie versprochen haben. Außerdem, wenn man der Rede des Prominenten folgt, muß der schlichte Wähler bei jedem Versprechen eines Politikers prüfen, ob es sich um ein erfüllbares oder eine nicht erfüllbares handelt. Das erste darf er glauben, das zweite nicht. Solche Sitten sollen früher bei Pferdehändlern üblich gewesen sein. Der Redner zitiert Max Weber: »Politiker sind nicht die Ingenieure des menschlichen Glücks«, und er setzt von sich aus hinzu: »Gefährlich ist, daß sie sich gelegentlich dafür halten«. Vor der Gefahr, die von manchen Politikern ausgeht, kann gar nicht genug gewarnt werden.