von Peter Richter
Die aktuelle Debatte über die Managergehälter ist ein Musterbeispiel für Placebo-Politik. Zwar will und kann nach der Gesetzeslage an den Millioneneinkünften einiger Unternehmensbosse überhaupt niemand etwas ändern, aber zugleich wird ein riesiger Luftballon aufgeblasen, an dessen schillernden Farben sich das gemeine Volk erfreuen soll. Vorangegangen ist dabei wieder einmal die Kanzlerin, die immer öfter die Mißerfolge ihrer Politik durch populistische Windeier vergessen zu machen sucht. So verkündete sie zum Erstaunen der Betroffenen wie der meisten Experten, der Aufschwung komme bei den Menschen an und machte dazu Milchmädchenrechnungen auf. Dann brach sie die Managerschelte vom Zaune – so als wolle sie statt ausbleibender Mindestlöhne wenigstens Höchstgehälter festlegen.
Aber auch das war nur heiße Luft, denn der Regierungssprecher beeilte sich nach erstem Grummeln aus Wirtschaftsetagen zu beteuern, natürlich seien diesbezügliche gesetzliche Maßnahmen nicht vorgesehen. Die SPD setzte zwar flink einen Ausschuß ein – stets ein probates Mittel, wenn am Ende nichts herauskommen soll – und ließ denn auch durchblicken, daß das ganze Getöse nur ein Wahlkampfgag sei.
Was hilft es schließlich einem Hartz-IV-Empfänger oder einem Hungerlöhner, wenn die Manager statt zehn Millionen im Jahr vielleicht noch fünf bekommen, in seiner Tasche landet von dem eingesparten Geld garantiert kein Cent. Dabei gibt es schon einen Zusammenhang zwischen Niedrigstlohn und Höchstgehalt; das eine bedingt das andere und läuft auf ein grundsätzliches Verteilungsproblem hinaus.
Solange der Produktivitätszuwachs vor allem durch menschliche Arbeit erwirtschaftet wurde, war diese Arbeit – durchaus im Interesse des Unternehmers – auch ordentlich bezahlt worden. Seit jedoch der Produktivitätszuwachs vorrangig aus der technischen und technologischen Entwicklung resultiert, sieht der Unternehmer keinen Grund, mehr für die menschliche Arbeitskraft zu zahlen als unbedingt nötig, das heißt, wer keine Arbeit hat, bekommt von ihm natürlich auch nichts, und er nutzt die Arbeitslosigkeit zudem, um auch jene, die er zum Arbeiten noch benötigt, immer schlechter zu bezahlen. Dadurch steigen die Gewinne extrem an und ermöglichen Höchstgehälter für Manager – vor alle für jene, die skrupellos genug sind, die Arbeitskosten immer weiter zu minimieren. Das ermöglicht aber auch, mit immer mehr Geld zu spekulieren, um es so ohne jede produktive Leistung zu mehren – in der Regel (siehe die Hedgefonds) auch auf Kosten der Belegschaften in den gewinnträchtig aufge- und wieder verkauften Betrieben. Und sie ermöglichen schließlich immer mehr und immer gewagtere »feindliche Übernahmen«, die in der Regel ebenfalls auf Entlassungen und Verschlechterung von Arbeitsbedingungen hinauslaufen.
Insofern gehören hohe Managergehälter zum System modernen kapitalistischen Wirtschaftens und sind nur abzuschaffen, wenn an dieser Umverteilungspraxis etwas geändert wird. Es wäre notwendig, die durch technischen Fortschritte erzielten Gewinne, die ständig steigen, zumindest so weit abzuschöpfen, daß damit den zunehmenden sozialen Verwerfungen, die noch keineswegs auf ihrem Höhepunkt angekommen sind, entgegengewirkt werden könnte. Modelle gibt es dafür schon – sei es eine Wertschöpfungsabgabe oder eine Maschinensteuer. Doch an den Unternehmern und ihren Lobbys, zu denen in dieser Frage auch die sogenannten Volksparteien gehören, scheitern alle diese Konzepte. Würden jedoch die Gewinne gerechter verteilt, gäbe es weder Niedrigstlöhne noch Höchstgehälter. Und auch der Staat stöhnte nicht unter der Last steigender Sozialausgaben, die er im Moment weniger zugunsten der sozial Schwachen und faktisch mehr zugunsten der Konzernbosse verteilt, indem er deren Arbeitskräfteabbau und Niedrigstlöhne subventioniert. Müßte zum Beispiel für jede Entlassung eine Abgabe gezahlt werden, die in die Arbeitslosenversicherung fließt, brauchte es keiner demütigenden Hartz-IV-Gesetzgebung. Vielleicht erholte sich dadurch sogar der Arbeitsmarkt, denn der Anreiz für Entlassungen wäre weg.
Darüber eine ernsthafte Debatte zu führen, kann man jedoch von der der großen Koalition nicht erwarten. Sie palavert statt dessen, denn ihr Auftrag besteht schließlich darin, am bestehenden System nichts zu ändern, darüber aber den Menschen Sand in die Augen zu streuen.
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