von Gerd Kaiser
Klaus Harts Notizen über Gespräche und Eindrücke bei seinem Heimaturlaub in Deutschlands Osten (Das Blättchen, 21/2007) haben mich bewogen, einige Ergebnisse meiner Forschungen in Thüringen dem Thema hinzufügen.
Im Juni 1920 weihte der stramm deutschnationale Ortsgeistliche in Schwarza das Kriegerdenkmal den (toten) »Helden« des Ersten Weltkrieges. Der rote Schulmeister Nikolaus Pfaff aus dem benachbarten Zella-Mehlis, ursprünglich Kriegsfreiwilliger, nach mehrjährigen Kriegserfahrungen an der Front zum Offizier befördert und schwerverwundet zum Kriegsgegner gewandelt, trat vor die versammelte Gemeinde und widmete das Denkmal »den Opfern des Krieges«. Das war lange bevor im Zeichen des Hakenkreuzes der Zweite Weltkrieg vorbereitet und schließlich auch vom Zaun gebrochen und geführt wurde.
Zu den Pfarrern, die ab 1933 in SA-Uniform unterm Talar Krieg predigten – man könnte an Wölfe im Schafspelz denken –, gehörte Pfarrer Linsenbarth in Gerstungen.
Der NSDAP angeschlossen hatte sich neben anderen Amtsbrüdern der Pfarrer Ernst Thiem in Zella-Mehlis, und an der Spitze von antisemitischen Umzügen der HJ im bäuerlich geprägten Marisfeld marschierte der Pfarrer Günter Kasprzik, um nur einige Beispiele aus weitgehend verschwiegener evangelischer Kirchengeschichte zu benennen.
Pfarrer Ufer weihte 1933 in Dietzhausen die Fahne, auf der sich das Kreuz zum Hakenkreuz gekrümmt hatte.
1940 läuteten über drei Wochen hinweg alle Kirchen in Südthüringen täglich anläßlich des Sieges über den »Erbfeind« Frankreich. Die Kirchenoberen segneten nicht nur die Waffen, sondern auch den »Führer«: »Gott hat uns den Führer geschenkt, zu dem wir aufschauen und dem wir folgen«, hieß es unter anderem in einer von der Kreissynode im Kirchenkreise Suhl verabschiedeten Erklärung.
Die Handvoll Hitlergegner unter den Pfarrern in der Rhön und im Thüringer Wald, die sich der Bekennenden Kirche angeschlossen hatten, wurden von den Kirchenleitungen aus ihren Gemeinden verjagt. Beispielsweise der Pfarrer Hjalmar Carlssohn, der zuerst gerügt, sodann aus seiner Gemeinde in Dermbach (Rhön) strafversetzt und schließlich aus dem Amt gedrängt wurde.
Kurt Creutzburg, Ortsgeistlicher in Queienfeld, der dem ihm bekannten Generalleutnant a. D. Karl Hansen während einer Fahrt im Postauto von Meiningen nach Hildburghausen einen Anti-Naziwitz zugeflüstert hatte, wurde von einem mitfahrenden Assessor denunziert, kam in Polizeihaft und schließlich im Herbst 1937 für eine Zeit in das eben gegründete KZ Buchenwald. Dessen nicht genug, erhielt er dort die Nachricht vom Landeskirchenrat zugestellt, daß er nicht mehr länger Seelsorger sei, Pfarrhaus und Dorfkirche zu räumen habe.
Nachwirkungen geschilderter und mitnichten geläuteter Denkweisen der Amtskirche Deutscher Christen sehe ich mancherorts im wahrsten Wortsinne noch in Stein gehauen. Am Schloß des Gutsbesitzers Karl Baron von Eichel im oben erwähnten Marisfeld, dessen Sohn Walther ein erklärter Nazigegner war, erinnert nach der unlängst vorgenommenen Restaurierung des Schlosses, in dem das Diakonische Werk Kirchenkreis Henneberger Land e.V. sich eine Wirkungsstätte eingerichtet hat, an die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt NSV. Kindererholungsheim Gau Essen.
Schlagwörter: Gerd Kaiser