von Ove Lieh
Die Lebensverhältnisse im Osten seien besser als ihr Ruf, meint Theologe Richard Schröder. Besonders gut scheint ihr Ruf wirklich nicht zu sein, denn sie rufen nicht gerade massenhaft Weggewanderte zur Umkehr.
Manchem allerdings bietet der Osten tatsächlich Lebensverhältnisse, die ihn herbeirufen. Für diejenigen, die kommen, war wohl der Ruf andersortiger Lebensverhältnisse nicht verlockend genug. Andererseits, und das verwirrt mich, wissen wir spätestens seit Jack London, daß es auch den Ruf der Wildnis gibt. Noch mehr verwirrt mich, daß Herr Schröder bei den Deutschen eine Unfähigkeit, sich zu freuen festgestellt haben will. Dann wird es für die Deutschen allerdings allmählich stimmungsmäßig eng, denn man bescheinigte ihnen einstmals auch schon eine Unfähigkeit zu trauern. Immerhin, ärgern können sie sich ganz gut, die Deutschen, das dürfte keiner bestreiten. R. S. selber ärgert sich übrigens darüber, daß die Einheit unter dem Motto »Pleiten, Pech und Pannen« dargestellt werde, statt sich zu freuen, daß sie noch als Einheit dargestellt wird.
Und, Moment mal, gerade bei diesem Thema kann man feststellen, daß die Deutschen sich sehr wohl freuen können, nämlich über Pleiten, Pech und Pannen der anderen. Eben gerade freuen sich alle über das Leben der Anderen. Und da sehen Sie, Herr Schröder, daß, wie Sie sich unnötig kompliziert ausdrücken, es wirklich »teilweise richtig ist, daß nicht alles schlecht war«, selbst wenn es schlecht war, denn ohne Stasi kein Oscar. Wahr ist wahr. Der Preis ist vielleicht ein bißchen hoch, also nicht der Oscar für den Film, sondern der, den viele Leute zahlen mußten, damit es dieses Thema heute überhaupt gibt. Das gilt übrigens für andere Filme über Geheimdienste auch. Aber das ist wohl nicht mehr zu ändern.
Bedenklich wäre es, meint Herr Professor Schröder, wenn die gesellschaftlichen, politischen oder wirtschaftlichen Verhältnisse in der DDR als nicht schlecht bewertet würden. (Meinte er: … nicht als schlecht …?) Teilweise richtig, das sollte man ebenso wie die damaligen Verhältnisse ruhig immer wieder gründlicher bedenken. Wie die heutigen auch.
Wäre es denn auch bedenklich, wenn man die heutigen gesellschaftlichen, politischen oder wirtschaftlichen Verhältnisse als nicht gut bewertete? Oder spielen wir jetzt »Gute Verhältnisse – schlechte Verhältnisse« als ideologische Seifenoper, deren Quintessenz darin besteht, die Einheit als eine Erfolgsgeschichte zu sehen, wie Richard!?
Vielleicht kommt das aber auch nur mir als Nichttheologen so vor.
Zitate (kursiv): Richard Schröder, nach »Freies Wort« vom 16. Februar 2007
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