von Felix Ackermann
Auf polnischer Seite handelt es sich um schlichte Holzbänke, die jedes Frühjahr in frische Ölfarbe getaucht werden, um bis zum Winter grün, rot und gelb zu strahlen. Am Frankfurter Ufer gibt es Metallbänke im Bordeaux der späten neunziger Jahre sowie Holz-Beton-Konstruktionen, die in ihrem matten Naturglanz in die neue Architektur der Promenade fügen. Doch jenseits der Farben und Materialien verraten sie vor allem eins: wohin der Spaziergänger blicken soll, wenn er innehält.
So waren auf Slubicer Seite noch während des Europagartens fast alle Bänke zur ulica 1. Maja ausgerichtet – man blickte also auf die festungsartige Außenmauer des Collegiums Polonicum, das sich nicht zum Fluß hin öffnet, sowie auf die trostlosen Fassaden der Bürgerhäuser, die schon seit Jahrzehnten auf die Sanierung warten.
Stünden die Bänke andersherum, könnte man das Panorama Frankfurts sehen – von hier bezaubert die Stadt mit dem Kontrast von Hochhäusern und alten Türmen, und von hier wird der Bann der Oder augenscheinlich, führt doch der Damm an einem alten Seitenarm vorbei, um dahinter den Blick auf das weite Schwemmland freizugeben.
Nachdem ich im Sommer 2004 in der Regionalausgabe der Gazeta Wyborcza meine Interpretation der Ausrichtung der Bänke zum besten gegeben hatte, zögerte der Slubicer Bürgermeister nicht lange. Bereits nach wenigen Tagen luden die meisten Bänke zum Betrachten der »Flußlandschaft mit Stadt« ein. Als ich Ryszard Bodziacki später am Telefon fragte, warum noch immer jede dritte Bank auf die Slubicer Häuser zeigte, antwortete er in seiner direkten Art: »Ja, also hören sie mal, in Frankfurt zeigen auch nicht alle Bänke nach Slubice rüber. Solange die nicht nachziehen, bleibt bei es bei uns, wie es ist.«
Natürlich gibt es an beiden Ufern wichtigere Probleme als die Ausrichtung der Bänke; aber die Anekdote zeigt, wie eng die Städte miteinander verwoben sind, daß der Fluß ein verbindendes Element ist und daß es für die Ausrichtung hinüber noch ein gewisses Potential gibt.
Daß nicht nur Lokalpolitiker mitreden, beweisen die Bänke in Nähe der Stadtbrücke: Besucher, die von Frankfurt kommen, werden zur rechten Hand zum Warten auf den klapprigen Kleinbus zum Basar von Bänken eingeladen, die natürlich nicht nach Frankfurt ausgerichtet sind. Die Busunternehmer haben die Haltestelle selbst für ihre Bedürfnisse umgestaltet, und so zeigen von fünf Bänken erneut drei zum Collegium Polonicum. Links von der Brücke haben die Taxifahrer Hand angelegt, um sich das Warten auf immer weniger Kunden zu verschönern, und zwei Bänke quer zur Oder gestellt, so daß sie Karten spielen können. Auf Frankfurter Seite ist hingegen alles wie es die Landschaftsarchitekten vorgesehen haben. Nur an Spaziergängern fehlt es.
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