Des Blättchens 9. Jahrgang (IX), Berlin, 29. Mai 2006, Heft 11

Seinesgleichen

von Krzysztof Pilawski, Warschau

Endlich wird Polen durch eine polnische Regierung regiert« – hörte ich von einem älteren Herrn in der Vorortbahn. Er habe die Hoffnung, daß Jaroslaw Kaczynski jetzt die Kommunisten und Juden verjagen werde, die in der Volksrepublik und in der Dritten Republik regiert hätten.
Einige Millionen Polen denken ähnlich. Für sie ist der Regierungseintritt von Roman Giertych und Andrzej Lepper alles andere als eine Katastrophe, sondern eine Freudenbotschaft. Nach deren Meinung ist der gemeinsame Auftritt der Parteichefs der SLD, der SdPl und der Demokraten eine Bestätigung der verdeckten Koalition der ehemaligen Kommunisten mit noch ehemaligeren Kommunisten, die seit dem Runden Tisch ununterbrochen andauere – eine Bestätigung dafür, daß die angeblich 1989 geschlossene Übereinkunft bedroht sei und angesichts der gemeinsamen Bedrohung sich diese Kräfte zusammenschlössen.
So oder ähnlich denkende Leute spürt Andrzej Lepper, der bald mit Jaroslaw Kaczynski in einen harten Wettbewerb um die geistige Vorherrschaft über die Seelen der Vierten Republik eintreten wird, noch aus einer Entfernung von fünfhundert Kilometern auf. Lepper kommt aus dem Volk und versteht dieses um etliches besser als der PiS-Vorsitzende. Ein Interview im 3. Radioprogramm legt beredtes Zeugnis davon ab:
Sprecherin: Die Linke und die Demokraten rufen andere Parteien und die Gesellschaft zu einer Verständigung auf, wie den radikalen Parteien in der Regierung und der abenteuerlichen Regierung entgegengetreten werden könne. Was meinen Sie, wird eine solche gesellschaftliche Protestbewegung gegen die Regierung entstehen?
Lepper: Wenn ich auf diese feinen Herren schaue. Borowski der erste, Olejniczak, jung, vielleicht unerfahren, von irgend jemandem benutzt. (…) Onyszkiewicz. Welche feinen Gesichter. Kommunisten regen sich auf, daß wir Polen demokratisch regieren. Kommunisten bilden eine Front.
Sprecherin: Aber Onyszkiewicz ist doch kein Kommunist.
Lepper: Aber an den Vorgängerregierungen war er auch beteiligt.
Sprecherin: Na, na, Herr Ministerpräsident. Er war kein Kommunist.
Lepper: Aber er war in der Freiheitsunion, lassen wir das.
Sprecherin: Und die UW, das sind Kommunisten?
Lepper: Erben der Kommune. Oder etwa nicht, Frau Redakteurin? Swiecicki, wo war der gewesen? Swiecicki, der gegen uns protestierte, wo war der gewesen?
Sprecherin: Na gut. Aber lassen Sie uns weiter über Onyszkiewicz reden.
Lepper: Die anderen beiden überragt er. Aber wenn er sich den Kommunisten anschließt, dann setzt er sich mit ihnen auf eine Stufe. Er also mit Leuten, die Polen in den Ruin geführt haben. Borowski, dem ich dessen Herkunft und so nicht länger vorwerfen mag, also alles das, was sein Onkel, Berman, in Polen gemacht hat und so.
Lepper weiß nur zu gut, daß Onyszkiewicz niemals Kommunist gewesen und dessen Frau die Enkelin von Jozef Pilsudki ist, der Ikone der Vierten Republik. Lepper ist durchaus in der Lage, die PVAP (deren Mitglied er gewesen ist) vom Komitee zur Verteidigung der Arbeiter (KOR) und Gomulka von Geremek zu unterscheiden. Aber er weiß auch nur zu gut, daß aus der Sicht der Anhänger der Vierten Republik SLD und UW (jetzt Demokratische Partei) ein und dasselbe sind. Für sie sind eben Kommunisten und Juden, die angeblich taten, was Moskau und danach Brüssel ihnen befahl, und als Ausgleich sich unbestraft bereichert hätten. Lepper ist kein Antisemit, aber glühender Verfechter der Vierten Republik. Es geht nicht um den Juden als solchen, sondern um den Juden in der volkstümlichen Überlieferung, der als Synonym für den Fremden, für den Anti-Polen benutzt wird, und dessen einziges Ziel darin bestehe, das Vaterland auszuplündern. Ein stellvertretender Ministerpräsident, ein Landwirtschaftsminister, vor allem aber ein Politiker, der wie Lepper gerne Präsident werden möchte, muß nicht danach trachten, Volkes Meinung zu korrigieren. Die Stimme des Wählers ist Leppers Stimme.
Andrzej Lepper hat sich nicht aufgeregt, als man ihn einen Barbaren schimpfte. Solche Etikettierung, dessen zeigt er sich sicher, sei passend, avantgardistisch gar. Seine Zeit sei angebrochen.
Ich habe keine Illusionen – die polnische Politik wird sich in den kommenden Jahren kaum zivilisieren. Im Gegenteil, die Keule wird ein sehr viel wirksameres Mittel sein als die gelehrten Reden – korrekt und fern jeglicher Beleidigung. Diejenigen, die mit Barbaren kämpfen wollen, müssen sich eine Waffe zulegen, die mindestens ebenso wirkungsvoll ist. Die Zeit der »feinen Herren« wird nicht so schnell anbrechen.

Aus: »Trybuna«, 9. Mai 2006, aus dem Polnischen von Holger Politt