von Heerke Hummel
Die Wintertragödie von Bad Reichenhall ist schon wieder vergessen, unterdessen war Hochwasser »dran«. Zunächst schien es, als habe die Tragödie – Ironie des Schicksals! – wenigstens eine positive Nachwirkung gehabt: Deutschland wurde wachgerüttelt und überprüfte – mit zum Teil schockierenden Ergebnissen – den Zustand öffentlicher Bauwerke: Hallen, Stadien, Brücken und so weiter. Sie waren zum großen Teil einst auf Pump der »öffentlichen Hand« errichtet worden, um das Wahlvolk bei Laune zu halten und obendrein die Volkswirtschaft flottzumachen. Über die Folgen wurde dabei weniger nachgedacht. Diese betrafen die Rückzahlung der Kredite ebenso wie die Zinslasten und die Kosten für die laufende Unterhaltung, Pflege und Wartung der Anlagen.
Wer je ein Auto auf Abzahlung kaufte, weiß, wie eng der Haushalt dann für einen Normalverdiener werden kann, wie sehr an allen Ecken und Enden gespart werden muß, um mit dem Einkommen alles zu deckeln. Die Bundesregierungen, Landes- und kommunalen Verwaltungen sahen das nicht so verbissen, und brauchten es auch nicht; sie waren ja jeweils nur für ein paar Jahre im Amt, machten von Jahr zu Jahr neue Schulden und konnten doch nicht alles Notwendige finanzieren, zum Beispiel die regelmäßige Instandhaltung und Erneuerung. Und zurückblieb die anonyme »öffentliche Hand« mit einem Schuldenberg (der heute etwa jeden vierten Euro des Haushalts allein für die Zinslasten verschlingt) sowie zum Teil maroden Anlagen.
Auch mancher leichtsinnige Autokäufer gönnte sich nach seiner Anschaffung noch dies und das auf Pump, sparte aber, um halbwegs über die Runden zu kommen und weil es ja immer noch ging, an der notwendigen Instandhaltung, bis die Karre zum Verkehrsunfall führte, und mußte schließlich persönliche Insolvenz anmelden, lange bevor ein Viertel seines Einkommens für Zinsen draufging. Ein schlechter Haushalter, möchte man sagen. Auch die »öffentliche Hand« steht nun kurz vor diesem Punkt. Denn wer will schon einem anonymen Schuldner weiter borgen, der bereits mit über einer Billion Euro in der Kreide steht – bei einem Jahreseinkommen von rund 260 Milliarden und Zinslasten um die siebzig Milliarden? Deshalb erklärte Finanzminister Steinbrück zu Jahresbeginn bei einer Veranstaltung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Frankfurt/Main: So gehe es nicht weiter, der Staat müsse sich auf das Notwendige beschränken.
Da ist ja etwas Wahres dran! Nur: Durch sein Schuldenmachen hielt der Staat in der Vergangenheit mit dem Geld der »Besserverdienenden« (weil diese es ihm leihen konnten!) die Wirtschaft (wenigstens teilweise) in Gang, den Reproduktionsprozeß der Gesellschaft. Wie wäre das künftig möglich, wenn offensichtlich ein bedeutender Teil des Volkes mehr verdient als er verbraucht oder verbrauchen kann? Mit »Mindestlöhnen« und »Maximaleinkommen« könnte das Nettoprodukt so (um-)verteilt werden, daß die Gesellschaft es ohne allgemeine Verschuldung verbrauchen würde und durch großzügige Entwicklungshilfe eine wirkliche, weltweite Sicherheitspolitik zu betreiben in der Lage wäre.
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