von Jochen Reinert
Als Peter Spacek mit Frelimo-Truppführer Joaquim Chissano in einem Einbaum den tansanischen Grenzfluß Ruvuma überquerte, rief ihm der spätere Präsident auf der Flußmitte zu: »Jetzt kannst Du fotografieren, so viel Du willst, jetzt sind wir in Mosambik.« Drei Wochen lang marschierte der DDR-Korrespondent 1970 als erster ausländischer Journalist durch die befreiten Gebiete der damaligen portugiesischen Kolonie und berichtete der erstaunten Welt über seine Erlebnisse. Mißtrauisch fragten ihn ein sowjetischer Diplomat in Daressalam: Mal ehrlich, waren Sie wirklich in Mosambiquek? – eine Frage, die Spacek zum Titel seiner autobiographischen Skizzen erkor, die er vor einigen Monaten herausgab. Peter Spacek, der vor kurzem gestorben ist, rapportiert darin auch über andere journalistische Pioniertaten im Afrika der sechziger und siebziger Jahre, die ihn bis in das heute abgeschlossene Eritrea führten.
Spaceks Erlebnisse jenseits des Ruvuma sind ebenso wie die Eindrücke vieler anderer ostdeutscher Mosambikfahrer in dem Buch Wir haben Spuren hinterlassen! dokumentiert. Herausgeber Matthias Voß hat den Titel mit einem Ausrufungszeichen versehen – offenbar möchte er jene Spuren besser vor dem Vergessen bewahrt wissen als dies bisher geschieht. Gewiß haben die annähernd zehntausend DDR-Menschen, die von Ende der sechziger Jahre bis 1990 der Frelimo und ihrem 1975 etablierten Staat beistanden, vielerlei Spuren hinterlassen: materielle wie anfangs das berühmte Mathematik-Schulbuch des Magdeburger Lehrers Joachim Kindler oder später diverse Anlagen in der Kohlengrube von Moatize, aber auch ideelle, oft in Freundschaften geronnene. Viele der engagierten DDR-Helfer konnten sich freuen, »um de nós« (einer von uns) genannt zu werden. Sie hegten »kühne Hoffnungen« und erlebten »große Enttäuschungen«, skizziert Voß die Spannweite der Erfahrungen. 23 der Experten geben Auskunft über ihre Tätigkeit als Regierungsberater, Lehrer, Bergmann, Fischer oder Landwirtschaftsexperten und sie tun dies nicht selten in lebendigen tagebuchartigen Schilderungen.
Kühne Hoffnungen, so berichten Ex-Botschafter Helmut Matthes und der Staatsrechtler Herbert Graf in dem Sammelband, gab es in den ersten Jahren nach der Unabhängigkeit Mosambiks 1975 en masse. Aber nach dem furiosen Start der Entwicklungszusammenarbeit mußten die Erwartungen auf beiden Seiten bald kräftig heruntergeschraubt werden. Durch die zunehmenden Renamo-Attacken wurde Anfang der achtziger Jahre die Sicherheitslage immer prekärer – daran konnte auch die von Werner Mühle unter dem Titel Feinde von allen Seiten? geschilderte Tätigkeit der sogenannten Ministerratsgruppe, der vielen DDR-Berater für Mosambiks junge Polizei, für Armee und Geheimdienst, nichts ändern. Sehr bewegend der Bericht von Monika Smardz, die nur durch Zufall einem Renamo-Mordanschlag im Dezember 1984 entging. Ihr Mann und sieben weitere DDR-Landwirtschaftsexperten, die eine große Farm zum Blühen brachten, wurden dabei getötet – ein rabenschwarzer Tag für die Partnerländer. Der Historiker Ulrich van der Heyden, der auch als Herausgeber der ambitionierten Reihe Die DDR und die Dritte Welt firmiert, in der das Mosambik-Buch als Band 6 erschien, widmet diesem Verbrechen anhand von MfS-Unterlagen ein umfangreiches Kapitel. Darin erinnert er auch an die Verantwortung westlicher Institutionen, darunter jener der BRD, die den »Renamo-Terrorismus« unterstützten. Stutzig machten van der Heyden MfS-Berichte, laut denen mosambikanische Politiker unmittelbar nach jenem Anschlag ein verstärktes Engagement der DDR auf militärischem Gebiet verlangten – was Ostberlin jedoch abschlug.
Aber nicht allein die verschärfte Sicherheitslage, sondern auch die wirtschaftlichen Defizite auf beiden Seiten bewirkten in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre die deutliche Talfahrt der mit so großen Erwartungen gestarteten Entwicklungszusammenarbeit. Die DDR-Seite drängte auf den Abbau der beträchtlichen mosambikanischen Schulden, was unter anderem durch die Entsendung von über zwanzigtausend Vertragsarbeitern erreicht werden sollte. Die DDR-Wirtschaft war zugleich wegen zunehmender Schwäche immer weniger in der Lage, die Wünsche des Partners zu erfüllen.
Wenn auch die Beschreibung der positiven Seiten der Kooperation überwiegt, so sind in dem Band auch kritische Töne zu vernehmen. Der Bergbauexperte Walter Grabner, der »12 Jahre gelebter Solidarität mit mosambikanischen Kohlekumpeln« summiert, spart auch die Konflikte mit der eigenen Obrigkeit sowie den Partnern nicht aus und meint zum Einsatz mehrerer MfS-Offiziere in den späten achtziger Jahren in Moatize, daß »uns damit natürlich die flächendeckende Überwachung … bis ins ferne Afrika gefolgt ist«. Der Historiker und Lehrerbildner Mathias Tullner wiederum reflektiert die starre Haltung des DDR-Bildungsministeriums, das Ende der achtziger Jahre weiter auf der Einführung eines ideologisch geprägten Faches »Staatsbürgerkunde« beharrte – obwohl sich das Frelimo-Land längst anderweitig orientierte.
War zu DDR-Zeiten von all diesen Vorgängen nur sehr wenig öffentlich geworden, galt dies noch mehr für die Zusammenarbeit der evangelischen DDR-Kirchen mit dem Christenrat von Mosambik, die Renate Romberg ausführlich schildert – ein Engagement, das die DDR-Ausländerbeauftragte Almuth Berger 1990 im Hinblick auf das Schicksal der mosambikanischen Vertragsarbeiter fortzuführen suchte. Am Ende des sehr lesenswerten Bandes fragt sich Ulrich Makosch, der schon in den siebziger Jahren mit TV-Reportagen über Mosambik hervortrat, was heute mit diesem Schatz an Erfahrungen geschieht – eine der Fragen, die die hiesigen Freunde des Landes unlängst auch auf ihrem 5. Rahnsdorfer Treffen debattierten. Für eine differenzierte Betrachtung der DDR-Hilfe für Mosambik steht inzwischen auch das Buch Freundschaftsbande und Beziehungskisten zur Verfügung, das aus sehr unterschiedlichen Perspektiven die Politik beider deutscher Staaten gegenüber dem heute als Musterknaben gehandelten afrikanischen Land beleuchtet.
Matthias Voß (Hrsg.): Wir haben Spuren hinterlassen! Die DDR in Mosambik, LIT Verlag Münster 2005, 605 Seiten, 29,90 Euro; Peter Spacek: War ich wirklich in Mocambique?, edition-weisse-seiten.de, Berlin 2005, 178 Seiten, 11,80 Euro; Hans-Joachim Döring, Uta Rüchel (Hrsg.): Freundschaftsbande und Beziehungskisten, Die Afrikapolitik der DDR und der BRD gegenüber Mosambik, Brandes & Apsel Verlag Frankfurt/Main 2006, 208 Seiten, 14,90 Euro
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