Des Blättchens 9. Jahrgang (IX), Berlin, 20. März 2006, Heft 6

Preis für Fleiß …

von Gerd Kaiser

In den Ministergärten 1, dem komfortablen Sitz der Vertretung Brandenburgs beim Bund, in Blicknähe zum Reichstag, trafen sich Mitte Februar einige Interessierte. Zu reden war über Burkhard Olschowskis Buch Einvernehmen und Konflikt. Es handelt vom Verhältnis zwischen der DDR und der Volksrepublik Polen in den Jahren 1980 bis 1989. Ein Thema. über das zu reden sich lohnt. Das Buch, 690 Seiten stark, ist eine Fleißarbeit, die ihrem Verfasser ursprünglich den Doktortitel einbrachte. Dank finanzieller Beihilfe der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur wurde nun aus der Doktorarbeit ein Buch und damit ein wichtiges Trittbrett für den Aufstieg auf der Karriereleiter.
Seine ausführlich zitierten oder referierend wiedergegebenen Darstellungen zu wesentlichen Seiten der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen, zum Verhältnis zwischen SED und PVAP, zwischen den Kirchen und zur Reaktion auf die Solidarnosc erschließen weitgehend bisher unbekanntes Material. Dabei stützt sich der Autor vor allem auf die offengelegten Akten der Stiftung der Parteien und Massenorganisationen der DDR sowie des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR. Das ist insofern leider einseitig, weil ein Großteil der polnischen Akten zum untersuchten Jahrzehnt unter Verschluß gehalten wird. So bedankte sich der Nachwüchsler überschwenglich nicht nur bei seinen hiesigen Betreuern, sondern auch für die punktuelle Hilfestellung renommierter polnischer Wissenschaftler, die ihm Brosamen aus ihren Sammlungen überließen. Die Akten zu den außenpolitischen Beziehungen zwischen den beiden Nachbarstaaten DDR und VR Polen sowie VR Polen und der BRD sind noch für Jahrzehnte unzugänglich, das Außenministerium der BRD hat sie für die Forschung gesperrt.
Die Schieflage bei den Quellen hat der Verfasser durch umfassende Nutzung nicht nur deutscher, sondern erfreulicherweise auch polnischer Forschungsliteratur und themenbezogener Publizistik auszugleichen versucht. Mit Gewinn für den deutschen Leser, der in der Regel ja der polnischen Sprache nicht mächtig ist. Leider dominieren in Burkhard Olschowskis Darstellung politische Strukturen und wirtschaftliche Prozesse, Menschenschicksale im Strom des Beziehungsgeflechts zwischen der DDR und der VR Polen werden nur ausnahmsweise sichtbar. So wurde der Warschauer Korrespondent des Neuen Deutschland Detlef-Diethard Pries 1984 von seinem Posten abberufen, weil seine Frau die Kinder der Familie in Warschau hatte taufen lassen. Begleitet war dieser Vorgang von selbstkritischen Erklärungen und der Abberufung durch den damaligen Chefredakteur des Neuen Deutschland, Günter Schabowski. Während Pries auch heute noch im ND tätig ist und polnische Ereignisse im Blatt analysiert, engagiert sich Schabowski inzwischen für die CDU.

Burkhard Olschowski: Einvernehmen und Konflikt, fibre-Verlag, Osnabrück, 690 Seiten, 32,50 Euro