Des Blättchens 8. Jahrgang (VIII), Berlin, 5. Dezember 2005, Heft 25

Pata Pata

von Franz-Karl Hitze

Es gehörte wahrlich nicht zu den Aufgaben eines Auslandskorrespondenten, Künstler für die Musikszene der DDR zu entdecken. Doch die Stimme Afrikas, wie Miriam Makeba genannt wurde, muß mit ihren Liedern den langjährigen Korrespondenten von Radio DDR in Daressalam verzaubert haben. Der Makeba, einer in ganz Afrika bekannten Sängerin, gelang es während einer Tournee in London, dem Apartheid-Staat zu entfliehen. Sie ging eigene Wege und wurde zum internationalen Star. Nur in der DDR war sie noch nicht bekannt.
Peter Spacek, der Radio-Mann der DDR in Daressalam (1965-1970) schrieb eine zweistündige Sendung für eine Chanson-Serie im Abendprogramm von Radio DDR. Als die aus Südafrika stammende Sängerin zu den Weltfestspielen 1973 nach Berlin kam, war ihr Pata Pata längst ein Ohrwurm. Zu den Aufgaben eines Auslandskorrespondenten von Radio DDR gehörte es vor allem, die Entwicklungsprozesse in Tansania und den anderen ostafrikanischen Staaten zu beobachten. »Besonderes Gewicht«, schreibt Spacek, »… hatte aber der Befreiungskampf im südlichen Afrika.«
Immerhin war Tansania so eine Art Vorposten für das um seine Unabhängigkeit kämpfende Afrika. In Daressalam waren die Hauptquartiere oder Verbindungsbüros der meisten afrikanischen Befreiungsbewegungen untergebracht. So die der FRELIMO von Mocambique, des südafrikanischen ANC und der namibischen SWAPO und der ZAPU und ZANU von Simbabwe. Dadurch ergaben sich für den umtriebigen Korrespondenten eine Vielzahl von Möglichkeiten. Sehr enge Bande knüpfte er zur FRELIMO. Spacek interessierte natürlich, wie befreit die »befreiten Gebiete« in Mocambique wirklich waren. Selbst bei der OAU kursierten Meinungen, die Berichte der FRELIMO seien stark übertrieben.
Peter Spacek durfte in Begleitung von FRELIMO-Kämpfern die Grenze passieren. Sein Truppführer war Joaquim Chissano, der heutige Staatspräsident von Mocambique. Über vierzig Kilometer marschierte die kleine Truppe, bis sie einen Stützpunkt der Befreiungsbewegung erreichte. Hier studierte er das Leben der Guerilleros, wie sie im Westen genannt wurden. Natürlich gab es in den befreiten Gebieten auch noch portugiesische Stützpunkte. Nachts konnte man sie an der Beleuchtung ausmachen. Sie wurden aus der Luft versorgt.
Spacek war von der Disziplin der FRELIMO-Kämpfer verblüfft. Als Uniformen dienten alle nur möglichen Textilien. Viele liefen barfuß. Wenn er durch den Stützpunkt ging, salutierten die Posten mit der Maschinenpistole. Seine Unterkunft bestand aus Knüppelholz und Ästen, genau wie die der Kämpfer. Sogar eine Duschkabine gab es, auch aus Ästen zusammengefügt, mit Wassereimern und Schöpfkelle. Die Männer und Frauen der Einheit waren mit Waffen aus der Sowjetunion und China ausgerüstet. Auch MPis aus der DDR fand er vor: Im Unterschied zu den sowjetischen und chinesischen Kalaschnikows hatten die aus der DDR einen Schaft aus Plaste. Zu den Beutewaffen gehörten französische Mörser und englische Granatwerfer. Zum größten Teil waren es aber westdeutsche Schnellfeuergewehre vom Typ G 3, die unter Lizenz in Portugal hergestellt worden waren.
Chissano ließ ihn nicht ohne Absicht wissen, daß es Probleme beim Nachschub mit sowjetischer Munition gab. Nach drei Wochen wieder in Daressalam, informierte er sowjetische Diplomaten von dieser Botschaft aus dem Busch. Einer der Diplomaten bat ihn, nochmals alles zu durchdenken: »Ob ich mir absolut sicher sei, daß ich wirklich in Mocambique war.« Soviel Ungläubigkeit verdutzte dann doch den erfahrenen Journalisten. So entstand schließlich der Titel des Buches.
Spacek erzählt in loser Folge kleine Episoden, die er nicht vergessen wird. Unter anderem, als sich eine grüne Mamba, eine der gefährlichsten Schlangen Afrikas, auf einem Baum über seiner Hütte ringelte und blitzartig von einem Krieger erschlagen wurde.
Sein größter Wunsch ging in Erfüllung, als er mit Samora Machel, dem Armeechef und späteren Präsidenten der FRELIMO, zusammentraf und ihn ausführlich interviewen konnte.
Aber auch Merkwürdiges gab es. Das Außenministerium in Berlin wollte, daß er sich über eine angebliche Spaltung der FRELIMO äußere. Die Information bezog sich auf die Ermordung Mondlanes und darauf, daß der FRELIMO-Vorsitzende von Cabo Delgado zu den Portugiesen übergelaufen war. Spacek antwortete, daß man sich von einigen Verrätern getrennt habe, es aber keinerlei Spaltung der FRELIMO gäbe. Später erfuhr er, daß man sich in Berlin etwas mitleidig über den Genossen in Daressalam geäußert hatte. Den hätten seine Erlebnisse sicher stark beeindruckt – so stark, daß er offenbar nicht mehr richtig durchsehe.

Peter Spacek: War ich wirklich in Mocambique? Als DDR-Korrespondent auf vier Kontinenten, Verlag edition-weisse-seiten.de Berlin, 178 Seiten, 11,80 Euro