von Ursula Malinka
Und die Frauen? So hallte es gleich nach der Wende durch die aufgescheuchte DDR-Gesellschaft. Nur einmal, auf dem großen Treffen der Frauen am 3. Dezember in der Berliner Volksbühne, formulierte eine der neuen Sprecherinnen des sich gründenden Unabhängigen Frauenverbandes (UFV), was eine Wiedervereinigung für die Frauen bedeuten würde. Doch Euphorie und der Glaube an neue Möglichkeiten überwogen. In der Für Dich, Nummer 6 des Jahres 1990, erschien ein Grundsatzartikel über die Frauenpolitik in der DDR unter dem Titel: Frauenfrage gelöst – Patriarchat wohlauf. Die Autorin behandelte die Problematik in einer Weise, daß die meisten Frauen, die das lasen, wohl glaubten, in einem anderen Land gelebt zu haben. Die Verfasserin tat etwas, dessen man sich in den Sozialwissenschaften und in der Politik immer wieder gern stillschweigend bedient: bekannte Fakten in neue Zusammenhänge zu stellen, für deren Existenz es jedoch keine Beweise, oder um es sozialwissenschaftlich zu sagen, keine Signifikanz gibt.
Im März 1990 war die Wende noch kein halbes Jahr alt, der Wind wehte längst in Richtung Einheit. Helmut Kohl hatte sich für die Allianz für Deutschland, bestehend aus der DDR-CDU und ihr folgende Bürgerrechtsbewegungen, vor den Wahlkampfkarren gespannt – und gewann, obwohl er gar nicht zur Wahl stand. »Wer die beiden Parteigruppierungen der DDR, die SPD und die Allianz, von Bonn aus fernsteuert, wird kaum behaupten können, daß die Parteien in der DDR gleichberechtigt und unabhängig sind. Dies gilt heute schon, und es wird nach der Wahl noch mehr gelten, wenn eine dieser Parteien eine Regierung bilden muß. Es ist damit zu rechnen, daß die Bonner ihre jeweilige DDR-Filiale nach dem 18. März als Hilfstruppe für den Bundestagswahlkampf gegeneinander in Stellung bringen werden. Sie werden der DDR keinen Hauch von Souveränität lassen …« schrieb in der Wahlwoche Diese Woche, eine von der Süddeutschen Zeitung speziell für die Leser in der DDR herausgegebene Zeitung. Doch von solchen Ankündigungen völlig unbeeinflußt wählten die DDR-Bürger.
Die DDR-Frauenpolitik war im Vorfeld der letzten Volkskammerwahl auch unter Mitwirkung des UFV als »Muttipolitik« und »patriarchalisch« delegitimiert worden. Die neue Frauenbewegung wollte feministisch sein. Die Abwicklung der DDR-Frauenpolitik übernahmen unter Helmut Kohl zuerst Angela Merkel und dann Claudia Nolte, die beiden Ostfrauen in seinen Regierungen bis 1998. Mit ihrer Hilfe machte die Regierung Kohl das Frauenressort in Deutschland erfolgreich zur Nebensache. Frau Merkel glänzte während ihrer Amtszeit mit der Ansicht: »Man muß davon ausgehen, daß die Erwerbstätigkeit der Frauen in den neuen Bundesländern zurückgehen wird. Dies ist natürlich, weil es die Möglichkeit, Hausfrau zu sein, eigentlich nicht gab.« Damit bediente sie zwar die Erwartungen der CDU-Regierung, lag aber ansonsten völlig falsch.
Unter Christine Bergmann war wieder ein Hauch von Frauenpolitik zu spüren. Allerdings scheiterte sie 2000 mit ihrer Frauenquote in der Wirtschaft; in Frankreich wurde sie jetzt eingeführt. Unter Renate Schmidt ist das Frauenressort völlig konturlos geworden. Man betreibt vorrangig Familienpolitik. Mit dieser Ministerin ist die Frauenpolitik endgültig, nämlich auch personell, im Westen angekommen. Und Die Grünen haben die Frauenfrage innerparteilich gelöst und damit ad acta gelegt.
Der Unabhängige Frauenverband hat sich 1998 aufgelöst. 1995 gründete sich die vorrangig im Westen agierende feministische Partei Die Frauen. Anläßlich einer Feier zum fünfjährigen Bestehen der Partei im Juli 2000 erklärte Elisabeth Schmidt, eine der Mitgründerinnen: »Das Projekt muß als gescheitert angesehen werden.« Die Partei besteht weiter, doch ist ihr Wirken marginal. Bei der Bundestagswahl 2002 erreichte sie 0,1 Prozent, bei der Wahl zum Europaparlament 2004 0,6 Prozent.
Für August Bebel war die Frauenfrage untrennbar mit der sozialen Frage verbunden, für die DDR auch. In den heute maßgebenden Parteien gibt es keine Frauenfrage mehr. In der WASG tummeln sich lauter Männer, von der PDS ist seit Jahren kaum explizit Frauenpolitisches mehr zu hören. Im aktuellen Wahlprogramm greift sie auf Forderungen aus dem Jahr 2001 zurück.
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