von Ursula Malinka
Fotos der Kollwitz zeigen strengen Ernst, der die Gesichtszüge und die Gestik zeichnet. Die alte Hardekopf aus Willi Bredels Roman Die Väter stellt man sich so vor. Am 20. Juli 1944 war sie nach Moritzburg bei Dresden gekommen, nach einem fast einjährigen Aufenthalt bei der Bildhauerin Margarete Böning in Nordhausen, die ihr Schutz vor der Bombardierung Berlins, der langjährigen Arbeits-, Wohn- und Lebensstätte von Käthe Kollwitz, geboten hatte. Nach Moritzburg, wiederum auf der Flucht vor den Bomben, die nun auch Nordhausen bedrohten, folgte sie einer Einladung von Ernst Heinrich, Prinz von Sachsen.
Die Kollwitz war keine Widerstandskämpferin, noch jemals Kommunistin oder Mitglied einer Partei. Die Sozialdemokratie hatte sie aber 1919 gewählt, die sogenannten Mehrheitssozialisten. Dieses Verhalten hinderte sie indessen nicht daran, in ihrem Tagebuch zu notieren: »Empörender Mord an Liebknecht und Luxemburg.« – und ihr berühmtes Gedenkblatt zu schaffen. 1933 mußte sie aus der Preußischen Akademie der Künste austreten, ihre Arbeiten wurden 1937 aus allen öffentlichen Einrichtungen entfernt, ihre Kunst als »entartet« diffamiert.
In kunsthistorischen Betrachtungen der DDR wurde Käthe Kollwitz in die Kategorie der proletarisch-revolutionären Kunst eingeordnet – mit Recht und damit der Beurteilung durch ihre Zeitgenossen und ihrem eigenen Zugehörigkeitsgefühl sowie ihrem prägenden und allgemein bekannten Werk folgend. Sie hatte sich ganz eigenständig ihre Themen und Vorbilder gewählt. Mitunter verwahrte sie sich gegen einseitige Betrachtung ihrer Kunst, ohne zu leugnen, welches ihre beherrschenden Themen waren und wie sie zu ihnen gekommen war. Im Fach Kunsterziehung der DDR spielte Käthe Kollwitz keine besondere Rolle. Dagegen fanden einzelne Blätter aus ihren Graphikzyklen Eingang in die Geschichtsbücher, sie illustrierten den Bauernkrieg, den Aufstand der schlesischen Weber oder die Solidarität mit der Sowjetunion in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts.
Käthe Kollwitz mußte und konnte nicht vereinnahmt werden. Daß die Kollwitz aufgrund persönlicher Erfahrungen und Erlebnisse zur Pazifistin und zu einer Verfechterin humanistischer Ideale wurde, ist keine Entdeckung aus der Zeit nach der Wende. Doch der Zugang zur Künstlerin Kollwitz ist heute nicht leichter geworden. Ihre strenge Formensprache, verknappt und schnörkellos, elementar und brachial in der Wirkung, hat es in der heutigen inflationären Bilderwelt schwer. Ein Weg kann die Beschäftigung mit ihrer Person sein, die aus ihren Tagebüchern unmittelbar spricht. Auch ihre Ausdrucksweise ist ein Spiegel ihrer künstlerischen Seele. »Meine unangenehme Stellung in der Jury. Immer habe ich die Sache einer Frau zu vertreten … Möchte so ungern der Anwalt der Frau in Kunstsachen sein … Früh wieder einmal im Leichenschauhaus gewesen und einen Erschossenen gezeichnet … Gänzlicher Sturz mit der Arbeit. Körperlicher Tiefstand. Herzklopfen … Ich lege Konrad rote Nelken hin für ihn und seine tote Sozialdemokratie.«
Hans Kollwitz, der Sohn, hatte zunächst 1948 Tagebuchblätter und Briefe und zwanzig Jahre später weitere Selbstzeugnisse seiner Mutter unter dem Titel Ich sah die Welt mit liebevollen Blicken herausgegeben. Dort wird ganz deutlich, wie die Kollwitz um ihre Kunst gerungen hat, wie sie sich fühlte als Mensch, als Frau, als Mutter. Wie sie dieses Eingebundensein in die Familie benötigte, aber manchmal auch haßte, sie sogar einmal verlassen wollte. Moritzburg wurde ihre letzte Station, dort starb sie im April 1945.
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