mit Eckhard Mieder
Herr G. hat sich in den Urlaub verabschiedet. Es war nicht sicher, ob er, seine Frau und seine Schäferhündin würden fahren können. Denn Frau G. blieb auf der Zeil plötzlich stehen und konnte nicht mehr weiter laufen. Ein tierischer Schmerz im Bein. Thrombisch.
Herr G. ist nach Hause geeilt, hat seinen Audi aus der Garage geholt, ist zur Zeil und hat seine Frau in einem Krankenhaus abgeliefert. Aber da, sagte er mir, hätten sie auch nichts feststellen können. »Dabei wollten wir in Urlaub fahren.«
Sie sind in den Urlaub gefahren. Seit einer Woche sind sie fort. Das Bein-Debakel hat sich erledigt. Wie, weiß ich nicht. Jedenfalls kann Frau G. wieder laufen. Indessen parke ich mein Auto trotzdem so, daß auch ein imaginäres Auto genug Platz hätte, aus Herrn G.’s Garage herauszukommen.
Allerdings stellte ich vorgestern, in Gedanken noch bei den ornithologischen Büchern, die ich derzeit in der Deutschen Bibliothek lese (ich arbeite an einer historischen Ornithologie zum Avus ossum), meinen Wagen unglücklich ab. Er blockierte leicht die Ausfahrt der alten Dame, die gegenüber wohnt.
Sie fährt einen dunkelroten Mercedes. Ihr Mann sei verstorben, hatte mir Herr G. schon vor einiger Zeit anvertraut. Der Wagen sei zu groß für sie. Aber vielleicht hängen Erinnerungen an dem Eisen? Urlaubsfahrten, wie die des Herrn G., an den Bodensee, in die Toskana, nach Sylt?
Die ältere Dame klingelte bei mir und fragte höflich, ob es mein Auto sei. Nun, gewiß. In der Straße dürfte sich herumgesprochen haben – zumal ich noch das Berliner Kennzeichen habe –, daß hier Berliner eingezogen sind.
Außerdem weist ein Aufkleber auf der Rückscheibe darauf hin, daß das Auto aus Autohaus Friedrich in Berlin-Köpenick stammt.
Ich dienerte sofort. Ich ging hinunter, und sie sagte entschuldigend: »Ich habe meinen Nachbarn gefragt. Der ist auch der Meinung, daß ich unmöglich aus der Ausfahrt herauskäme.«
Der Nachbar, ein älterer Herr, steht denn auch bei meinem Auto. Er müßte nicht zwingend dort stehen. Ich lächle ihn an. Falls er etwas Pädagogisches sagen wollte, sagte er es jedenfalls nicht.
Sie habe, sagt die Gegenüberdame, einen Zettel hinter den Scheibenwischern angebracht. Den nehme ich ab: Bitte stellen Sie Ihr Auto nicht über die Hälfte der Einfahrt. Ich komme so nicht raus.
Ich fahre meinen Nissan Almera folgsam weg. Er ist der einzige Asiate unter den Deutschen in der Straße: Audi, Mercedes und Kabrios unterschiedlicher Marken. Ich halte sie schwer auseinander. Sie sehen mir alle gleich aus, Dach runter, Dach drauf. Obwohl: Ich weiß inzwischen, daß es in Frankfurt eine Kultur der Kabrios gibt. Und ich habe auch schon einen Text gelesen über das Selbstbewußtsein, sich den Blicken andere auszusetzen. Vielleicht ist das die noblere Variante des Eure Armut kotzt mich an. Mit dieser Aufschrift fuhren in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gern Provokateure respektive Blödmänner durch die Straßen (Ost)Berlins.
Inzwischen, höre ich, parken sie ihre forschen Kabrios gern in den Tiefgaragen des Berliner Prenzlauer Bergs.
Apropos Asiate. In unserem Haus arbeitet und wohnt ein Koreaner. Er hat die Räume im Souterrain gemietet. Allerdings fährt Herr Yun einen silbernen BMW.
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