Des Blättchens 8. Jahrgang (VIII), Berlin, 28. März 2005, Heft 7

Laßt mich rein

von André Herzberg

Ein Sänger, dessen Karriere ins Straucheln gekommen ist, macht sich mausig. Er heißt Christian Anders und hat vor Jahren den Zug nach nirgendwo besungen. Jüngst saß er in der Burg von Pro Sieben, einer Spielshow, die er gewann, und verblödete mit anderen Blöden weiter sein Publikum. Dann aber trat er in einen Fettnapf. Er schrieb einen neuen Song, in dem er das Klischee vom Juden benutzte, sowie das von den Weisen von Zion und von der jüdischen Weltherrschaft und ihrem amerikanischen Vasallen G. W. Bush. So flog er raus. Henryk M. Broder kommentierte. Im Spiegel.
Vor einiger Zeit hörte ich dem deutschen Außenminister J. Fischer zu, der gerade erklärte, daß die Juden aus den bekannten Gründen immer einem besonderen Schutz unterliegen. Daher vielleicht das kleine Christian-Anders-Beben. Auch ich bin Sänger, Autor und Clown, und ich benutze das Thema meiner jüdischen Identität für meine Arbeit. Und ich habe ein Problem: Ich möchte keine Sonderbehandlung, ich möchte mich lustig machen dürfen. Auch über mich. Und ich habe einen Traum: Ich möchte, daß Anders wegen seiner Blödheit ausscheidet, nicht weil er an »Tabus rührt«.
Neger haben die größten Penisse und immer Musik in den Beinen, alle Polen klauen, Türken sind Machos, Schotten sind geizig und haben nichts an unter ihrem Rock. Blonde Frauen sind dumm, die Schwulen benehmen sich wie Tunten, und die Juden …
Lieber Herr Außenminister! Lassen Sie doch den Deutschen (und dem Rest der Welt) ihren Antisemitismus. Aus meiner Erfahrung sind Juden nicht besser oder schlechter als alle anderen. Bitte zerstören Sie nicht mit deutscher Gründlichkeit alle Klischees. Lassen Sie uns gemeinsam lachen, nehmen Sie mir nicht meine Arbeit. Liebe Leute von Pro Sieben, machen Sie besseres Fernsehen, lassen Sie mich rein!
Liebe Juden, solange die Deutschen aus ihren Verblödungen keine Gesetze schmieden, bleibt gelassen. Seid nicht päpstlicher als der Papst!