von Günter Krone
In der deutschen Sprache geistern Wünsche und Aufforderungen, die nicht auf die Erfüllung oder das Befolgen abzielen, sondern in gewollt anstößiger Formulierung die Mißstimmung des Absenders gegenüber dem Adressaten zum Ausdruck bringen sollen. Das bekannteste Beispiel ist das berühmte Zitat aus dem Götz von Berlichingen. Keiner, der es ausspricht, möchte, daß der Angesprochene ausführt, was ihm da angetragen wird. Weniger häufig, aber von vergleichbarer Qualität ist die grimmige Verwünschung: Den Kerl könnte ich erschießen. Niemand, weder der, der es sagt, noch die, die es hören, niemand denkt dabei an vorsätzliche Tötung. Jeder weiß, daß mit dieser Bemerkung eine üble Laune in üble Worte gefaßt wird. Nur Sabine Christiansen weiß das nicht.
In einer Dresdener Inszenierung von Hauptmanns Die Weber sagte einer aus dem Chor von Arbeitslosen: »Wen ich sehr schnell erschießen würde, das wäre Sabine Christiansen.« Die nun läßt »in einer offiziellen Stellungnahme verlauten, daß ein Aufruf zum Mord nichts mehr mit der Freiheit der Kunst zu tun habe«, und geht gerichtlich gegen die Aufführung vor.
Nun bietet die sonntägliche Quasselrunde, in der mehr oder weniger Prominente abends im Fernsehen das sagen dürfen, was man morgens in der Zeitung gelesen und mittags im Radio gehört hat, dem, der die Sendung auf sich nimmt, manchen Grund zur Verstimmung. Wenn so begründeter Mißmut sich in Morden entladen würde, es gäbe dann Massenmorde an der Fernsehprominenz. Daß jemand vor Zorn über das Programm seinen Fernsehapparat physisch vernichtet hat, soll vorgekommen sein. Aber noch nie hat ein Darsteller gleich welcher Unart mit seinem Leben für intellektuelles Siechtum einstehen müssen. Sabine Christiansen verkennt da etwas: Es gibt viel Schlimmere, die keineswegs für ihr Leben fürchten müssen.
Von ihren zahlreichen Mitarbeitern könnte sich vielleicht einer Gedanken darüber machen, warum Arbeitslose derart vergnatzt sind, daß sie sich so äußern. Zur Klärung dieser Frage könnte sie ja einmal zu ihrer Talkerei anstelle von Reichen, Einflußreichen und Schönen eine Runde von Arbeitslosen einladen. Die würden davon natürlich auch keine Arbeit erhalten. Doch Sabine würde dann vielleicht eine Ahnung bekommen, warum sie schlechter Laune sind.
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