von Frank Burkhard
Geiz ist die Armut der Reichen.
Werner Mitsch
Warum gründen Künstler ein Privattheater? Weil sie hoffen, damit reich zu werden? Irrtum! Mit Theatern erwirbt man höchstens Schulden. Nein, diese Theaterleute können nicht anders. Es ist ein innerer Zwang. Sie brauchen ein Theater, um ihrem Spieltrieb nachzukommen und ein wenn auch noch so kleines Stück der Menschheit damit zu erfreuen. Die Ökonomie bleibt dabei so manches Mal auf der Strecke.
In Berlin fanden jetzt zwei private Bühnen, denen im Frühjahr noch die Schließung drohte, einen Neuanfang.
Dan Lahav ist ein Theaterverrückter aus Tel Aviv. Der Schauspieler, Regisseur und Bühnenbildner knüpfte vor drei Jahren an die Tradition der jüdischen Bühnen in Berlin an und gründete am Fehrbelliner Platz das Bamah (vgl. Blättchen 1/2002) – arm am Beutel, doch reich an Ideen. Im Repertoire waren vor allem Programme von jüdischstämmigen Autoren wie Friedrich Hollaender, Georg Kreisler oder Kurt Tucholsky sowie israelische oder amerikanische Stücke aus jüdischem Milieu. Das Ensemble, aus Juden und Nichtjuden bunt gemischt, sah seine Aufgabe darin, auf ungezwungene Art und Weise gegenseitiges Verständnis zu fördern. Das gelang unerwartet gut. »Einmal kam ganz selbstverständlich eine Gruppe muslimischer Frauen, die jüdisches Theater kennenlernen wollten«, erzählt Dan Lahav. »Da merkt man, daß unsere Arbeit etwas bewirken kann.«
Als der günstige Mietvertrag am Fehrbelliner Platz endete, sah es so aus, als wäre das Ende für das Bamah gekommen. Doch des einen Leid ist des anderen Freud. Die Filmbühne am Steinplatz, seit Jahrzehnten eine erste Adresse für anspruchsvolles Kino in Charlottenburg, war dem Konkurrenzdruck nicht mehr gewachsen. Als sie schließen mußte, kam Dan Lahav mit dem libanesischen Vermieter ins Gespräch, der sich für den Gedanken begeistern konnte, hier eine jüdische Bühne zu beherbergen.
Zur feierlichen Eröffnung der neuen Spielstätte gab es eine Wiederaufnahme. Wien auf dem Meer von Edna Mazja erlebte seine deutsche Erstaufführung vor drei Jahren im alten Haus. Jetzt hat Dan Lahav das Stück gestrafft und inszenierte es mit teilweise neuer Besetzung. Allerdings waren Schwierigkeiten zu überwinden. In der Filmbühne kann man nur von einer Seite auftreten, und auch die Tiefe fehlt. Doch das intensive Spiel der Darsteller machte manches wett. Wir erleben die Auseinandersetzungen einer Gruppe von Wiener Juden des gehobenen Mittelstands, in deren Mittelpunkt die Ärztin Fräulein von Sternheim (Erica Eller) steht. In der Ferienpension an der Adria schreibt man den März 1938. Die deutsche Einverleibung von Österreich steht bevor. Stärker als vor drei Jahren rückt das Ehepaar Bauer in den Mittelpunkt der Handlung. Leider dienen diese »Szenen einer Ehe« kaum zur Erhellung der historischen Situation. Die deutschenfreundliche Pensionswirtin Fräulein Schnabel, in der ersten Inszenierung von Cornelia Kurth voll Doppelbödigkeit gegeben, spielt die Schauspielerin jetzt einschichtiger und damit langweiliger und kommt nur in den beiden Szenen mit Nico Schulz, der dem Schriftsteller Bauer die Ausstrahlung eines Kleinganoven gibt, zur einstigen Größe. Silja Lésny legt die Großmutter alterssenil und pointenreich zwischen Agnes Windeck und Adele Sandrock an und erreicht zwischen Skurrilität und Altersweisheit eine starke Spannung, die der ganzen Inszenierung zu wünschen wäre.
Das mit rund hundert Plätzen nicht allzu große Haus, in dem auch Klezmerabende zu erleben sind, hält für geizige Zuschauer auch Konditionen zu ermäßigten Preisen bereit.
Das Theater im Palais im Kastanienwäldchen (bis 1990 noch im Palast der Republik beheimatet) wurde nach dem Ende der DDR privatisiert. Da das Unternehmen von ehemaligen DDR-Bürgern geleitet wird – allesamt theaterbesessen und kunstbeflissen –, war es kein Wunder, daß eines Tages im Frühsommer finanzielle Fehler offenbar wurden, weil man sich im Dschungel der Marktwirtschaft doch nicht so ganz zurechtgefunden hatte. Man geriet hart an den Rand der Existenz. Inzwischen ist die Schließung abgewendet. Der Spielbetrieb geht weiter. Die Misere hat aber ein höchst amüsantes Ergebnis gezeitigt. Frei nach Molières Geizigem hat die künstlerische Leiterin Barbara Abend die sehr aktuelle Revue Geiz geschrieben und inszeniert, die auch größeren Häusern zur Ehre gereichen würde. All die Sorgen um das liebe Geld, um Transaktionen, Fusionen, Aktien, Märkte und Kredite, die Molières Harpagon das Leben schwer machen, kann das Ensemble heute nachvollziehen. Gabriele Streichhahn, Volker Ranisch und Carl-Martin Spengler in mehreren Rollen sowie Jens-Uwe Bogadtke als tragikomischer Held Harpagon zeigen ein pointen- und temporeiches Spiel. Angereichert wurde das Stück mit zahlreichen klassischen Zitaten (mit Vorliebe Goethe), aber auch mit bekannten Nummern aus der Opern-, Operetten- und Musicalliteratur – von Boccacio bis Cabaret – alles natürlich zum Thema Geld, Kredit, Banken und Fusionen. Dabei verhehlen die Darsteller nicht, daß sie keine Sänger sind und bringen die Lieder mit so viel Witz und schauspielerischem Können, daß es eine Freude ist, Freude, die man auch der musikalischen Leiterin Ute Falkenau am Klavier anmerkt. Einige Nummern erklimmen die Höhen des viel zu selten gepflegten Quodlibets mit Texten der Abend, die viel Esprit haben. »Naja, wenn man viele Jahre an einem Dreispartenhaus gearbeitet ist, kennt man sich eben ein bißchen aus«, meint die Inspiratorin des Stückes bescheiden. Mit Bravorufen geizte das Publikum nach der Premiere nicht. Und zumindest der Zuspruch aus dem Parkett macht Barbara Abend und die ihren ein bißchen reich.
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