Des Blättchens 7. Jahrgang (VII), Berlin, 13. September 2004, Heft 19

Manifest der komischen Weltbewegung

von Martin Schirdewan

In einem von herrschaftlichem Grau dominierten Plenarsaal eines in herrlichem Grau gehaltenen Plenargebäudes tritt ein in herrisches Grau gekleideter Herr, unschwer als der erst kürzlich gewählte Präsident Worst Cola zu erkennen, hinter ein in schlichtes Grau gehaltenes Redepult, bestückt mit einem in noch schlichterem Grau gehaltenen Mikrofon, um vor der Versammlung der durchweg in einem dem Anlaß entsprechenden dezenten Grau gekleideten Pennäler und Pennälerinnen mit Repräsentantenstatus seine Antrittsrede zu halten. Schon Tage vorher hatte Worst Cola sich über den grauen Zustand, in dem sich die Republik befinde, seitdem die grau-graue Regierungskoalition ihre grau-grauen Vorgänger abgelöst habe, mokiert und angekündigt, mit seiner Rede ein Zeichen setzen zu wollen und »nicht erst lange zu schwafeln, sondern gleich zu handeln!« Und so geschah es.
Nachdem sich das Zentralkomitee der komischen Weltbewegung einstimmig nach Kenntnisnahme des Redetextes dazu entschlossen hatte, diesen zum Manifest der KWB zu erklären, gibt das Zentralorgan der komischen Weltbewegung aus aktuellem Anlaß die Rede des Präsidenten Worst Cola ungekürzt wieder.

»Parlamentarier aller Parteien, vereinigt euch! In dieser schweren Stunde, da die deutsche Volkswirtschaft danieder liegt, kein neuer Weltkrieg in Sicht ist, an dem man verdienen und sich gesundstoßen könnte, und selbst die westdeutsche Frau es vereinzelt wagt, auf den Arbeitsmarkt zu drängen, da kenne ich keine Parteien mehr, sondern nur noch am deutschen Interesse interessierte Interessenten!
Parlamentarier und Parlamentarierinnen, in der Stunde des verschärften Klassenkampfes von oben ist es an uns, die wir in der Verantwortung für dieses an innerer Erhabenheit allen anderen weit überlegene Reich stehen, uns zu entscheiden: Für oder wider die ökonomische Vernunft, für oder wider die politische Vernunft, für oder wider die Menschen, die in unserem Lande leben. Deutschland ist schön, und damit es noch schöner werden kann, müssen wir alle an einem Strang ziehen, müssen wir alle das gleiche Ziel verfolgen: die Gesundung der erkrankten, von parasitären Fremdkörpern befallenen deutschen Volkswirtschaft. Nieder mit …
Ja, meine lieben Parlamentarierinnen und Parlamentarier, liebe Freundinnen und Freunde, die Stunde der Entscheidung ist gekommen. Entweder es heißt, wie manche Verirrte es fordern: Nieder mit den Multis, den Global Players, den Banken und Versicherungsgesellschaften, den Pharmariesen und Rüstungskonzernen, diesen Errungenschaften des zivilisatorisch Maßstäbe setzenden kapitalistisch agierenden Großbürgertums, dieser gottgegebenen und gottgewollten Ordnung. Oder aber, und dabei handelt es sich um die beste aller möglichen zwei Positionen, die Losung der Stunde lautet: Nieder mit den ewig gestrigen Gewerkschaften, dieser Errungenschaft des sozialistischen Pöbels, dieser Quasi-Emanation des Teufels.
Vor dieser Alternative stehen wir in diesen schweren Zeiten, die fast das ganze Volk, dieses wunderbare, große und stolze Volk deutscher Nation auf seinen von heroischen Taten gestählten Schultern. Ja, Mitbürger, auch in meiner Position können einen die Emotionen mitreißen, gerade auch angesichts solcher gesellschaftlicher Situation, ach ja: Vor dieser Alternative stehen wir also, tertium non datur in Zeiten der Rezession, nieder mit der bolschewistischen Gefahr; es lebe das Kapital! Liebe Palaverer und Palavererinnen, eindringlichst appelliere ich an Sie mit dieser meiner überparteilichen, in den vorurteilsfrei und unabhängig berichtenden Medien große Aufmerksamkeit finden werdenden Schluck-Rede, hicks, die richtige Wahl zu treffen und eine Position zum Wohle Deutschlands zu beziehen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit, Ihr Präsident, Worst Cola.«