von Günter Krone
Wenn ein führender Vertreter der CDU auf ein Erfolgsinstrument des Sozialismus zurückgreift, kann wirklich niemand mehr sagen, am Sozialismus sei alles schlecht gewesen. Die DDR hatte, weil das Lernen von der Sowjetunion siegen lernen hieß, von ihrem großen Bruder die Einrichtung des Subbotniks übernommen. Das war ein Tag, an dem die Werktätigen ohne Entgelt Arbeiten verrichteten. Bekanntlich hat die DDR mit dieser Maßnahme ihre Wirtschaft in die Weltspitze geführt und ihren Menschen segensreichen Wohlstand beschert. Der stellvertretende CDU-Chef Böhr hat das richtig erkannt. Da aber die nicht bezahlte Arbeit im Kapitalismus etwas Besseres ist als im Sozialismus, nennt er diesen Tag des Schaffens, um den Unterschied deutlich zu machen, »Solidaritätstag«. Er spricht sich also für einen »Solidaritätstag« aus, an dem alle Beschäftigten unbezahlt arbeiten sollen. »Das wäre«, läßt er sich aus, »ein Beitrag, um Jobs zu schaffen.« So würden die Kosten der Arbeit etwas gesenkt. Ein solcher »Solidaritätstag wäre ein Aufbruchsignal und ein Beitrag dazu, Wohlstand und soziale Sicherheit zu mehren«. Der Vorschlag ist vorzüglich geeignet, Deutschland aus der Krise zu führen, bedarf jedoch, um historische Größe zu erreichen, einiger grundsätzlicher Überlegungen.
Ein Solidaritätstag ist auch nur ein Tag. Das Jahr hat aber 365 Tage. Davon nur einen Tag Arbeit ohne Bezahlung – das macht nicht viel her. Ein Tag pro Woche würde da schon mehr Wirkung zeigen. Des Guten ist schließlich nie zu viel. Bei solcher Regelung würden die »vaterlandslosen Gesellen« (Zitat Bundestagspräsident) unter den Unternehmern, die die Arbeit gern ins Ausland verlegen, zu aufrechten Patrioten, die fleißig im Inland neue Arbeitsplätze schaffen. Man könnte ihnen dabei entgegenkommen, indem sich die vaterländischen Arbeitnehmer an den Kosten für die Einrichtung von Arbeitsplätzen beteiligen. Der Wohlfahrtsstaat in der bisherigen Form ist nicht mehr finanzierbar. Der verständige Beschäftigte wird sich deshalb gern an der Finanzierung der Wohltat
Arbeitsplatz beteiligen. Er könnte hierzu ein Darlehen bei seiner Hausbank aufnehmen und durch eine Grundschuld auf seinem Eigenheim absichern. Das ließe sich ebenso durch untertariflichen Lohn oder durch einen zweiten Solidaritätstag in der Woche bewerkstelligen. Man muß aber auch bedenken, daß ein Bankchef, der im Jahr zehn Millionen Euro verdient, bei einem Tag unentgeltlicher Schufterei so viel verschenkt wie ein paar tausend Arbeiter mit einem Salär um die tausend Euro im Monat. Hier muß man prüfen, ob sich das mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verträgt. Wahrscheinlich gebietet die Gerechtigkeit, dem Großverdiener nur eine Solidaritätsstunde abzuverlangen.
Der Vorschlag des Herrn Böhr ist so faszinierend, daß seine Verwirklichung an solchen Fragen nicht scheitern darf. Wie immer, wenn komplizierte Sachverhalte politisch, wissenschaftlich und praktisch zu durchdringen sind, wird eine Beratungsfirma mit einem Gutachten zu beauftragen sein. Die ist dann sicher die erste, die mit Enthusiasmus kostenlos arbeitet.
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