20. Jahrgang | Nummer 9 | 24. April 2017

Antworten

Andreas Bausewein (SPD), Eisenbahnverkäufer aus Erfurt – Sie wollen die Eisenbahnanteile der Stadt verkaufen, ist aus Thüringen zu vernehmen. Das sei schließlich „keine Daseinsfürsorge in dem Sinne“, schrieben Sie Ihren Kritikern ins Stammbuch – und vergaßen aber hinzuzufügen, dass die Stadt, als deren Oberbürgermeister Sie seit 2006 agieren, von einem funktionierenden Nahverkehrsnetz bis weit, weit ins Umland zutiefst abhängig ist. Vor nicht allzu langer Zeit verhökerten Sie die Anteile der Stadtwerke am Verbundgasnetz. Die Gasversorgung ist auch keine „Daseinsvorsorge in dem Sinne“. Gute sechs Millionen Euro aus diesem Deal brauchen Sie für die Finanzierung der Bundesgartenschau 2021. Erfurt ist schließlich „Blumenstadt“! Allerdings haben Sie vergessen, dass dieser Beiname nichts mit defizitären Messen, sondern eher mit einer weitgehend am Boden liegenden Saatgutproduktion zu tun hatte. Und die Eisenbahneinnahmen? Sie erhoffen sich einen „höheren“ zweistelligen Betrag um einen dreistelligen Betrag zur überfälligen Schulsanierung – insgesamt sind da wohl 450 Millionen fällig – aufbringen zu können. Sonst könnten demnächst Erfurter Schulen aus „Brandschutzgründen“ geschlossen werden. Das wird wohl geschehen müssen, derzeit will keiner den Eisenbahnbetrieb haben. Selbst die Thüringer Allgemeine gebrauchte in diesem Zusammenhang das Wort „Winterschlussverkauf“. Wer regiert eigentlich wie lange schon in Erfurt? Aber die Stadt kann beruhigt weiter Metropolenträume pflegen. Bald ist nichts mehr zu verkaufen und Sie brauchen einen neuen Job. Reden Sie doch mal mit Ex-Ministerpräsident Althaus. Der ist auch im Ersatzteilhandel tätig…

Sean Spicer, Sprachrohr(krepierer) des Weißen Hauses – Bisweilen verlässt einen jegliche Contenance, von political correctness ganz zu schweigen, und man attestiert Zeitgenossen wie Ihnen: „Der ist doch wirklich dumm wie Bohnenstroh.“ Oder etwas gehobener: „Der hat doch ʼn IQ wie drei Meter Feldweg.“ Hinzu kommt bei Ihnen augenscheinlich ein tief sitzender Antisemitismus, und das ergibt dann eine wahrlich grauenhafte Melange. So äußerten Sie jüngst: „Selbst eine so verabscheuungswürdige Person wie Hitler ist nicht so tief gesunken, chemische Waffen zu benutzen. […] Er hat das Gas nicht gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt, wie es Assad tut […].“ Einmal ganz abgesehen davon, dass Ihre Regierung bisher jeden Beweis schuldig geblieben ist, dass der jüngste Giftgaseinsatz in Syrien auf das Konto Assads geht: Die deutschen Juden, die in den KZs der Nazis mit dem Giftgas Zyklon B ermordet wurden – keine „eigene Bevölkerung“? Das hatten bisher nur die Nazis selbst behauptet. Und die Hekatomben von Deutschen vergaster Juden aus zahlreichen anderen Ländern wiegen in Ihrem kranken Hirn offenbar weniger schwer als die jetzigen syrischen Giftgasopfer…
Dass allerdings bei Ihnen tatsächlich reichlich Bohnenstroh und Feldweg im Spiel sind, zeigte dann erneut Ihre öffentliche Entschuldigung für die Holocaust-Entgleisung via CNN, bei der Sie gleich den nächsten Korken vom Stapel ließen: „Ich will in keiner Weise von den Bemühungen des Präsidenten ablenken, die Region zu destabilisieren.“ Oder wollten Sie ausnahmsweise nur einfach mal bei der Wahrheit bleiben.

Stanislaw Tillich (CDU), Dresdner Glücksbringer, Ministerpräsident – Schon der Genosse Staatsratsvorsitzende Erich Honecker wusste, dass in Zeiten sonstigen Mangels die massenweise Vergabe glitzernder Ansteckdinge mit Bändern und Schleifen Menschen glücklich machen kann. Auch in Sachsen hat das eine lange Tradition, die man im Dresdner „Grünen Gewölbe“ bewundern kann. Das dortige Ordens-Zeug war allerdings recht teuer. Sie ersetzen nun Klasse durch Masse – und übertreffen damit den erwähnten SED-Chef quantitativ, wie vor einiger Zeit ein LINKSPARTEI-Politiker neidvoll bemerkte. Die rote Bande wird jetzt erst recht neidisch aufschäumen, weil Sie seit kurzem endlich einen „richtigen“ Orden tragen dürfen: das „Goldene Komturkreuz mit dem Stern des Ehrenzeichens für Verdienste um das Bundesland Niederösterreich“. Natürlich tragen Sie seit 2008 auch den „Verdienstorden“ des Freistaates Sachsen, aber den hat ja nun fast jeder. Wir erinnern uns: Im selben Jahr traten Sie verdienstvoll das Amt des Ministerpräsidenten an, nachdem Ihr Parteifreund Georg Milbradt infolge einer Bankenaffäre das Handtuch werfen musste. Verwundert werden sich jetzt viele Niederösterreicher die Augen reiben: „Verdienste um das Bundesland Niederösterreich… Wird der jetzt bei uns Landeshauptmann? Eine Bankenaffäre hatten wir auch…“ – Herr Ministerpräsident, klären Sie uns auf!

Alexej Nawalny, Putin-Gegner – „Der Kreml blockiert jede Alternative zu Putin.“ Diese Mitteilung von der Qualität der Nachricht, dass man im Regen nass werde, diktierten Sie eifrigen SPIEGEL-Reportern in die Aufnahmegeräte. Sowohl diese verblüffende Neuigkeit als auch der in ihrem Interview wieder einmal offenbar gewordene Qualitätsjournalismus aus Hamburg machen uns einfach nur sprachlos.

Frauke Petry, beleidigte Leberwurst, anrüchige – Sie kandidieren nicht, flöteten Sie auf Kanzlerinnenweise per Videobotschaft in eine erstaunte Welt hinaus. Nein, weder als Solistin noch als Gruppentänzerin stünden Sie zur Bundestagswahl zur Verfügung… Nun, wir haben genau hingehört: „Die irrwitzige Behauptung, es gehe mir dabei um vorschnelle Koalition mit der CDU entbehrt wirklich jeder Grundlage im Antragstext.“ Vor den letzten beiden Worten eine Zehntelsekunde Pause. „Im Antragstext“, sagten Sie. Das ist richtig, in Ihrem „Zukunftsantrag“ steht nur Blabla. Dann teilten Sie in bemerkenswerter Offenheit mit, was Sie wirklich wollen: 2021 die „Regierungsverantwortung als Seniorpartner“. Das ist doch mal eine deutliche Ansage. Sie wollen die Macht. Nein, von Höcke- oder Petrydämmerung kann in der AfD wahrlich keine Rede sein. Es ist nur noch nicht ganz klar, welcher Ton beim Wiegenlied der Neuen Rechten dem Wechselbalg genehm ist.

Recep Tayyip Erdoğan, Wahlsieger – Am Tag nach dem für Sie siegreichen türkischen Verfassungsreferendum stellten Sie unmissverständlich klar: „Dieses Land hat die demokratischsten Wahlen durchgeführt, wie sie kein Land im Westen je erlebt hat.“ Der zweite Teil des Satzes stimmt.

Violet Brown, ältester Mensch der Welt, geboren 1900 – Da Sie in Jamaika leben, ist Ihnen hoffentlich entgangen, dass die deutsche Tagesschau Ihnen Ihr Recht nehmen will. Nach dem Tod Ihrer Vorgängerin, der Italienerin Emma Morano, die im November 1989 zur Welt kam, behauptete die Tagesschau (und andere deutsche Medien), Frau Morano sei der letzte Mensch gewesen, der im 19. Jahrhundert zur Welt kam. Einigen deutschen Journalisten ist unbekannt, dass das 19. Jahrhundert im Jahre 1801 zu zählen begann und mit dem Jahr 1900 vollendet wurde. Sie können mit Recht als eine Dame des 19. Jahrhunderts angesehen werden, aber wir vermuten, dass Sie das nicht wichtig nehmen. Journalisten allerdings sollten das!