19. Jahrgang | Sonderausgabe | 11. Juli 2016

Dieter Mann stellt sich den Fragen zu seinem Leben

von Manfred Orlick

Es ist ein altbekannter Trend: Promis schreiben ihre Biografie – oder lassen schreiben. Vom Künstler bis zum Sportler – egal, ob sie etwas Wichtiges mitzuteilen haben oder nicht. Selten kommt dabei ein lesenswertes Buch heraus.
Und nun Dieter Mann, der im Juni 75 Jahre wurde. Um es jedoch gleich vorweg zu sagen: „Schöne Vorstellung“ ist ein lesenswertes Buch. Und da für den Schauspieler das Schreiben nicht seine Gelände ist, wie er selbst im Vorwort bekennt, und er sich auch nicht der „Krücken eines Ghostwriters“ bedienen wollte, vertraute sich Mann in Gesprächen dem Journalisten Hans-Dieter Schütt an. So entstand gewissermaßen eine Autobiografie in Interviewform, wobei der Interviewer nicht nach einem vorgefassten Fragenkatalog vorgegangen ist, sondern die Fragen sich meist spontan im Gespräch ergaben.
Dieter Mann lässt in diesen Gesprächen nicht nur sein Schauspielerleben sondern auch ein halbes Jahrhundert Theatergeschichte Revue passieren. Dabei verstand er sich weder als „Entertainer der Konsumgesellschaft“ noch als „moralischer Richter des Gemeinwesens“. Für ihn sind die Theatermenschen „blinde Wanderer auf den steinigen Feldern der Sehnsüchte“.
Obwohl die Gespräche keiner Dramaturgie folgen, sind sie in fünf Kapitel unterteilt, die sich doch einer gewissen Chronologie unterordnen. So verrät Mann zunächst einiges aus seiner Kindheit und Jugend, von seiner Dreher-Lehre, dem Erreichen des Abiturs an der Arbeiter-und-Bauern-Fakultät und dem Studium an der Staatlichen Schauspielschule in Berlin. Danach war Dieter Mann prägender Schauspieler am Deutschen Theater, wo die Liste seiner Paraderollen lang ist – von Plenzdorfs Wibeau, Lessings Tempelherr, Goethes Clavigo, Bechers Hörder, Kleists Friedrich Wilhelm bis zu Brechts Macheath. Von 1984 bis 1991 war Mann dann auch Intendant des Deutschen Theaters, seinem Lebens-Mittelpunkt. Die Intendanz gab er schließlich ab, um wieder Schauspieler zu sein und blieb dabei weiterhin seiner Wirkungsstätte als Gast verbunden. In den 2000er Jahren konnte er dann noch bei den Nibelungenfestspielen oder als Nathan der Weise beziehungsweise König Lear brillieren.
Dieter Mann erinnert sich an zahlreiche Weggefährten und Mitstreiter wie Alexander Lang, Dietrich Körner, Kurt Böwe, Heiner Müller oder Thomas Langhoff, um nur einige Namen zu nennen, denn das Personenregister umfasst immerhin sechs Seiten. Kollegialität war für ihn stets eine Selbstverständlichkeit. Die Gespräche drehen sich aber nicht nur um Theater und Literatur, schließlich war Mann auch immer ein politischer Zeitgenosse, der sich stets eingemischt hat (zum Beispiel in der Auseinandersetzung mit DDR-Funktionären).
Auf den reichlich 300 Seiten dokumentiert erwies sich Mann über viele Monate hinweg als unterhaltsamer, souveräner und zugleich zurückhaltender Gesprächspartner („Ich lebe gern unauffällig“), der mit viel Detailwissen und feinem Humor den Leser hinter den Theatervorhang blicken zu lässt. Selbstherrlichkeit, Eitelkeit oder gar Besserwisserei sind ihm dabei fremd. Bleibt nur noch zu erwähnen, dass die Biografie durch 46 Fotos, ein Rollenverzeichnis und eine Filmographie komplettiert wird.

Dieter Mann: Schöne Vorstellung. Eine Autobiographie in Gesprächen mit Hans-Dieter Schütt, Aufbau-Verlag, Berlin 2016, 332 Seiten, 19,95 Euro.