18. Jahrgang | Nummer 19 | 14. September 2015

Sterbelager preußisch

von Rainer Kirsch

Merkbare Sätze, hör ich, sind vonnöten.
So daß, wenn du schon ahnst, daß du bald kippst,
Du immerhin vor Schluß die Zeichen übst,
Die ändern ohne dich an Auskunft böten,
Was die, trag lallend, eignen Blicks nicht finden:
Der Stumpfsinn ihre Brunst. So aber bleibt
Was Stachelndes, das sie zum Blinzeln treibt:
Die Mücken, doch noch, tanzen um die Linden,
Mittage wehn, Handwerker kaufen Schnaps,
Systeme blühn und reifen zum Kollaps,
In ferner Landschaft schießt man sich um Reis,
Der Tod hebt an im Mund, sein Färb ist weiß;
Und schneller drehn sich in der Welt die Dinge,
Um die es, ginge es um noch was, ginge.

(1986)

Der Dichter Rainer Kirsch, die Badische Zeitung nannte ihn einmal den „Petrarca aus Sachsen“, starb am 4. September in Berlin. Im Eulenspiegel Verlag Berlin erschien 2004 eine vierbändige Werkausgabe. Die Übernahme des Gedichtes erfolgte mit freundlicher Genehmigung des Verlages.