18. Jahrgang | Nummer 17 | 17. August 2015

Kurze Notiz zu Querfurt

von Thomas Zimmermann

Der Schriftsteller Johannes Schlaf, der wohl bekannteste Sohn dieser Stadt, nannte Querfurt in seinen Erzählungen liebevoll „Dingsda“. Dingsda, das ließe sich auch heute über Querfurt sagen, denn dieser Ausdruck ist ja immer noch geläufig und wird doch verwandt, wenn der tatsächliche Name einer Sache nicht gleich präsent ist: Ja, da liegt Merseburg, die Kreisstadt mit dem Dom und dem Schloss. Dann ist da Bad Lauchstädt mit dem Goethe-Theater, Wettin mit der Burg dieser bekannten Familie und dann – ja, wie hieß denn gleich noch diese Stadt, die früher auch mal ganz bedeutend war? Na, hier, Sie wissen schon, da hinten – Dingsda.
So etwa könnte in aller Kürze eine kulturhistorische Beschreibung des Saalekreises ausfallen, dieser Gegend, die sich einmal rund um Halle windet und von Thüringen bis Sachsen reicht.
Und Querfurt wäre dabei immer dieses „ach, Sie wissen schon – Dingsda!“ Und so beiläufig das vielleicht auch klingen mag, wie schon bei Johannes Schlaf schwingt doch auch ein bisschen Liebe mit. Denn Querfurt ist eine so friedliche, hübsch-bescheidene Stadt – die muss man einfach gesehen und ins Herz geschlossen haben!
Querfurt liegt inmitten der gewellten Querfurter Platte, einem schier endlos weiten Ackerland, über das die Dächer und Turmspitzen der alten Grafenresidenz von weitem schon zu sehen sind. Trotz diverser Eingemeindungen ist Querfurt an der Querne eine kleine Stadt geblieben und hat sich ihre gemächliche Beschaulichkeit erhalten. Niedrige, sehr alte Häuser stehen um den Markt und bis zur Burg hinauf, die der eigentliche architektonische Höhepunkt der Stadt ist. Die Burg Querfurt ist höchstmittelalterlich – und das ist ihr glücklicherweise auch anzusehen! Was da mitten zwischen den Rapsfeldern steht, ist wirklich eine Augenweide und lässt erahnen, welche Macht einst von den Herren der Stadt ausging. Auch wenn die von Querfurt das Spätmittelalter nicht überstanden haben, so prägten sie doch die Region im südlichen Vorharz wie keine andere Adelsfamilie: Ihnen entstammten nicht nur unzählige Kirchenfürsten, sondern auch das Grafengeschlecht derer von Mansfeld, das heute noch namensgebend und identitätsstiftend für die Region ist.
Die Burg Querfurt ist bestens erhalten, gilt als eine der größten Burgen ihrer Art – die bekanntere Wartburg könnte glatt sieben Mal darin unterkommen, doch leider ist mit Querfurt, anders als mit der Burg in Thüringen, kein großer Mythos, keine Legende verbunden. Und so ist die Burg weniger populär und fast schon ein Geheimtipp. Und das, obwohl sogar Hollywood, wenn es Geschichte verfilmt, so regelmäßig an die Querne kommt. John Goodman war schon da, Sean Bean und Ben Kingsley auch – und als Ken Follett durch das finstere Mittelalter führte, war er natürlich auch in Querfurt.
Dass sich die Prominenz aus höherer und niederer Kultur so ungestört in Querfurt tummeln kann, liegt nicht nur an der Weitläufigkeit der Burg, sondern auch an der Stille im Ort. Nur wenn die Kindergärtnerinnen am Sonntag mal beim Bäcker Kaffee trinken, wird es etwas lauter. Aber sonst rauscht selbst die Johannes-Schlaf-Linde an der Friedhofskapelle nahezu lautlos in diesem verschlafenen – na, Sie wissen schon: Dingsda!