18. Jahrgang | Nummer 4 | 16. Februar 2015

Antworten

Norbert Barthle (MdB), christdemokratischer Strippenzieher – „Niemand hat die Absicht…“, hoppla! Jetzt zitieren wir Sie doch falsch! „Niemand von uns hat ein Interesse daran“, sagten Sie in Wirklichkeit dem Deutschlandfunk am 5. Februar „Griechenland zu schaden oder gar diese Regierung zu stürzen oder etwas Ähnliches. Niemand! Das hätte man früher und leichter und billiger haben können.“ Nun ist Ihre Aussage mit dem „leichter und billiger“ sybillinisch. Sind Sie – möglicherweise, rein zufällig… – über Pläne informiert gewesen, die Wahlen in Griechenland zu verhindern? Ganz demokratisch natürlich. Aber geschenkt, wir kennen die „ultima ratio regum“. Das „letzte Mittel des Königs“ ist immer die Kanone. Alexis Tsipras und SYRIZA sollten auf der Hut sein. Ganz offenherzig legten Sie die Zeitscheine der Bundesregierung offen: „Bereits Ende Februar wird es für die griechischen Finanzen eng werden. Wenn das Programm verlängert werden kann, wozu es aber entsprechender Beschlüsse bedarf, dann hat Griechenland vielleicht noch zwei, drei Monate flüssige Mittel.“

Susanne Stiefel, Taz-Autorin – Sie prangern die immer häufigeren und immer dreisteren Versuche von Pressesprechern aller Couleur an, per gewünschtem „Gegenlesen“ von Beiträgen über die von ihnen vertretenen Institutionen die hiesige Pressefreiheit zu unterminieren und stellen fest: „Dahinter steckt aber viel mehr als eine Beleidigung. Dahinter steckt Kalkül. Wer einen Artikel vor Veröffentlichung lesen will, will intervenieren. Will beeinflussen, was über seine Politik, ihre Wissenschaft, seine Person geschrieben wird. Alle reden derzeit von Pressefreiheit, die es gegen islamistische Amokläufer zu verteidigen gilt. Keine Widerrede. Dringend notwendig wäre es jedoch auch, diese tapfer verteidigte Freiheit den vielen Pressestellen von Unternehmen, Politikern und Universitäten ins Gedächtnis zu rufen, deren Job es ist, ihre Auftraggeber in den schönsten Farben schillern zu lassen oder zu verkaufen.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

Wladimir Putin, Schenkender – Sie haben es für sinnvoll gehalten, dem ägyptischen Staatspräsidenten Sisi als Gastgeschenk Ihres Staatsbesuches am Nil eine Kalaschnikow zu überreichen. Alle Achtung: Sie lassen wirklich nichts aus, was einem bei Gedanken an und über Sie sympathisch das Herze wärmt.

Attila, gastfreundlicher Jack Russel Terrier – Als heimlicher Hausherr der thüringischen Staatskanzlei hatten Sie dieser Tage den tierischen Kolumnisten der Thüringer Allgemeinen, einen Rauhaardackel namens Herr Lehmann, zu Gast. Dank Salve TV konnten wir die Begegnung verfolgen: Nach kurzem Ankläffen, schließlich sind Sie der Herr im Hause, kam es zu einer offenbar ausbaufähigen Verständigung. Schließlich hat man einen gemeinsamen Feind, den Rotfuchs… Einen Hinweis darauf, wie man solchen politisch korrekt stellt, gab dieser Tage Benjamin-Immanuel Hoff, Minister für alles Mögliche im Erfurter Kabinett, als er Salve TV mitteilte, er sei sicher, „dass innerhalb Ihres Senders die in der bisherigen Diskussion gegebenen Hinweise zur Fortentwicklung des Formats und die Erkenntnisse der Didaktik politischer Bildung ausgewertet und aufgegriffen werden“. Wir verfolgen ja die thüringische Politik mit einer gewissen Sympathie – aber können solche Leute nicht einfach mal die Klappe halten, und die Kollegen ihre Arbeit machen lassen? Noch dazu, wenn diese ihnen freundlich gesonnen sind?

Zacarias Moussaoui, Ex-Insider bei al-Kaida – Aus der Haft heraus haben Sie mit Hinweis auf eine einst von Ihnen im Auftrag Osama Bin Ladens geführte Datenbank über die Unterstützer der Terrororganisation erklärt, einzelne Mitglieder der saudischen Herrscherfamilie hätten damals angeblich zu den Hauptgeldgebern von al-Kaida gehört. Dass Sie einer lupenreinen Demokratie und somit engem Partner abendländischer Politik wie der in Riad obwaltenden solcherart Unglaubwürdiges unterstellen, wird Ihre Überlebenschancen in einer Hochsicherheitsstrafanstalt im Bundesstaat Colorado möglicherweise nicht eben erhöhen.

Leonarde Keeler, verblichener Amateurzauberer – Vor 80 Jahren haben die Geschworenen eines Gerichts im US-Bundestaat Wisconsin erstmals einen Schuldspruch gefällt, der auf den „Beweisen“ eines von Ihnen entwickelten Lügendetektors beruhte, was in der Folge dank Ihrer Umtriebigkeit zu einem kriminaltechnischen Renner wurde. Lässt man mal beiseite, dass es auch jede Menge Experten gibt, die die Entscheidungsfindung mit Hilfe des Detektors als eine technisierte Kaffeesatzleserei bewerten, bleibt vor allem aber die Trauer, dass Sie Ihrem Gerät ein nur minderbedeutendes Ziel, die Lüge, zugewiesen haben. Wie viel dienlicher könnte es der Menschheit sein, wenn ein analoges Gerät verlässlich rausfinden könnte, wer die Wahrheit sagt. Gewiss wäre die positive Trefferquote extrem gering, das Aufspüren der 36 Gerechten in dieser Welt, die der Allobwalter bestellt hat, auf dass sie die Welt trotz deren Sündhaftigkeit nicht untergehen lassen, eine reale Chance hätte.

Hagen Rether, Deutschland- und Welt-Erklärer – Mit Veränderungsbereitschaft und politischen Veränderungen hierzulande ist es nicht weit her, meinen Sie: „Merkel ist wieder Kanzlerin, de Maizière ist wieder Innenminister, Steinmeier wieder Außenminister, Schäuble immer noch Finanzminister. Das ist, als würden Sie morgens in Ihren Schlüpfer gucken und denken: ‚Ach komm, den zieh‘ ich nochmal an. Der geht noch.‘“ Auch zur zentralen islamistischen Propagandaparole sprachen Sie ein klärendes Wort: „Wenn Du Dich da in die Luft sprengst, kriegst Du 72 Jungfrauen. Das erschließt sich mir […] überhaupt nicht […]. Eh, andersrum wird ein Schuh draus: Wenn ich 72 Jungfrauen hätt‘, ich würd‘ mich in die Luft sprengen. Am selben Nachmittag! […] 72 Jungfrauen, was meinst Du, wie lange das früh im Bad dauert!“ Dito zum Fluch der bösen Tat: Die Römer haben Jesus ans Kreuz genagelt. „Aber die büßen ja jetzt auch dafür – die haben ja jetzt […] den Vatikan am Arsch.“ Und dass der Obama nicht echt ist. Das ist in Wirklichkeit der Wallraff. Oder hat jemand die beiden schon mal zusammen auf einem Bild gesehen? Ihr Programm trägt den Dauertitel „Liebe“, und wir freuen uns schon auf den nächsten Jahrgang!

Vivien Konca, aktuelle „Miss Germany“ – Nach dem Ende Ihrer „Amtszeit“ als deutsche Schönheitskönigin wollen Sie eine klassische Ausbildung zu einem soliden Beruf machen, haben Sie mitgeteilt und Ihr diesbezügliches Credo so formuliert: „Ich möchte einen Job, der mich die nächsten 50 Jahre ernährt.“ Wer hätte gedacht, dass ein zwanzigjähriger Mensch hierzulande solch verstaubte Ansichten haben kann. Wir jedenfalls haben Sie bereits im nächsten Dschungelcamp von RTL gesehen. Dass Sie eine solche Langweilerin sind, hätten wir jedenfalls nicht gedacht. Was soll aus unserer Jugend werden, wenn so etwas erst einreißt?

Masud Shojaei-Tabatabaii, Direktor des Teheraner „Hauses der Karikaturen“ – Ihre Einrichtung hat zu einem internationalen Wettbewerb mit Zeichnungen aufgerufen, die den Holocaust leugnen. Dem Sieger winkt ein Preis von 12.000 Dollar, für den zweiten Platz sind 8.000, für den Drittplazierten 5.000 Dollar ausgelobt. Die Aktion sei als Protest gegen die Mohammed-Karikaturen des französischen Satiremagazins Charlie Hebdo gedacht, in denen sich die Doppelmoral des Westens gezeigt habe, Gotteslästerungen zu erlauben, die Leugnung der Judenvernichtung aber zu verbieten, haben Sie via Tehran Times wissen lassen. Wir nehmen an, dass Ahmadinedschad, über den die Rede von Bemühungen um eine Widerkehr ins iranische Spitzenamt geht, Ihnen bereits gratuliert hat.

Hans-Dieter Schütt, bewunderter Vielschreiber – Sie schreiben wortstark gegen ein Verbot des Brecht’schen „Baal“ an. Das wäre allerdings ein – unter hiesigen Verhältnissen nicht undenkbarer – Skandal. Doch darum geht es nicht. Der Rechteinhaberin missfiel die Inszenierung am Münchener Residenz-Theater, weil sie meint, diese sei mehr Regie-Text denn Bertolt Brechts Arbeit. Deshalb verlangte sie die Absetzung. Das ist ihr gutes Recht, weil es dem geltenden Urheberrecht entspricht. Das Theater scheint Unbill befürchtet zu haben. Normalerweise lässt man den Rechteinhabern vorab die Spielfassung zukommen. Die Münchner verzichteten darauf, weil – so Chefdramaturg Sebastian Huber in der Süddeutschen Zeitung – „mit ihr [gemeint ist Barbara Schall-Brecht] ist sowieso nicht zu reden.“ Dieses Verständnis von Freiheit der Kunst in die christliche Seefahrt übertragen wäre denn nun ein international geächtetes Kriminaldelikt… Lieber Kollege Schütt, das Problem sind nicht die vermeintlich sturen Brecht-Erben. Das Problem sind Skurrilitäten im deutschen Urheberrecht. Kümmern Sie sich darum. Sonderregeln für Frank Castorf gibt es nicht.