17. Jahrgang | Nummer 24 | 24. November 2014

Antworten

Johannes Eduard Hegenbarth, Grafiker – Unter Ihrem bürgerlichen Namen kannten Sie nur Insider, aber in der Kombination „Mosaik von Hannes Hegen“ hatten Sie ein Millionenpublikum. Ein – im Wortsinne – Bild von Ihnen konnte sich keiner Ihrer Fans machen, da Sie als Persönlichkeit praktisch nie öffentlich in Erscheinung tragen, aber auf die Bilder mit den Digedags, die 1955 das Licht der Welt erblickten, warteten monatlich ganze Generationen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen gleichermaßen: im einzigen Comic-Heft der DDR, das wirklich auch eines war. Die Auflage soll bei bis zu 600.000 gelegen haben, aber am Kiosk war das Mosaik praktisch nicht zu haben. Auch Abos gab es in den letzten Jahrzehnten der DDR so gut wie nicht mehr, denn die wurden vom Vater auf den Sohn auf den Enkel vererbt. Da war es gut, wenn man jemanden kannte, der von einem wusste, der die Heftchen hatte… Über manches, was in der DDR Kult war, gehen die Meinungen vielleicht auseinander. Über das Mosaik nicht. Wer als Kind und Jugendlicher diesen Goldstaub nicht in die Finger bekommen hat, der kann dies heute nachholen: Seit etlichen Jahren sind Reprints zu haben … Nun haben Sie sich also zu Ihrem Schöpfer empfohlen. Sollte es – wider Erwarten – Probleme an der Himmelspforte geben, zeichnen Sie einfach nochmal „Auf der Jagd nach dem Golde“, das legendäre Mosaik Nr. 1. Petrus wird vor Vergnügen den Schlüssel nicht mehr halten können!

Prinz Willam und Gattin, eigentlich Irrelevante – Dreieinhalb Jahre nach Ihrer die Welt erschütternder Trauung versteigert das Auktionshaus Julien’s Auction nun ein Stück vom Kuchen Ihrer Hochzeitstorte und erhofft sich ein Salär von etwa 2.000 Dollar. Wir sind guter Dinge, dass Royal-Fans sogar noch mehr Knete locker machen werden, denn Dummheit kommt keineswegs selten wohlhabend daher. Und selbst prekär Bemittelte gibt es genug, die den Besitz einer solchen Reliquie für eigene Bedeutungsfülle halten. Erich Kästners Appell „Nie dürft ihr so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken“ ist jedenfalls ziemlich ungehört ins All abgedriftet.

Stefan Berg, ein Mann vom Spiegel – In Ihrer Hauspostille haben Sie dieser Tage daran erinnert, dass Matthias Platzek vor fünf Jahren Fragen gestellt hat, die immer noch virulent sind: „Wie lange soll den sogenannten belasteten Menschen aus der DDR, den einstigen Funktionären und ehemaligen Zuträgern der Staatssicherheit, noch ihr Leben im DDR-Staat vorgehalten werden? Wie steht es um die Integration der Menschen, die gemeinhin als DDR-Elite bezeichnet werden?“ Um anschließend zu notieren: „Fünfundzwanzig Jahre nach der Revolution, im Herbst 2014, ist Bundespräsident Joachim Gauck zu diesen Fragen nichts eingefallen. Sie scheinen ihn nicht einmal zu beschäftigen. […] Wie vor Jahren als Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen redete er viel von Opfern und Tätern. […] Das könnte in seinem Fall ein Stück Kompensation sein: Im Unterschied zur Mehrheit seiner Landsleute war der Rostocker Pfarrer Gauck 1989 im Besitz zweier Reisepässe, er war zwischen 1987 und 1989 elfmal im Westen. Es scheint so, als hole er heute ein wenig von dem Widerstand gegen die SED nach, den er damals nicht geleistet hat.“ Und Sie hoben hervor: „Die Demokratie in den nicht mehr ganz neuen Ländern ist ohne den Beitrag der heutigen Linken und ihrer Anhängerschaft nicht vorstellbar. Sie stellt Bürgermeister, Landräte, Parlamentarier, Minister.“ Für die ganz besonders Ängstlichen ergänzten Sie schließlich noch: „Aber die Mehrheit der Linken-Anhängerschaft ist derart strukturkonservativ, dass der märkische Unionspolitiker Jörg Schönbohm gelegentlich scherzhaft darüber spekulierte, ob Union und PDS nicht eines Tages koalitionskompatibel werden könnten.“ Da fragen wir uns doch erwartungsvoll, ob der Spiegel etwa auf dem Rückweg ist. Zum „Sturmgeschütz der Demokratie“? Und dämpfen uns gleich selbst: Eine Schwalbe macht noch längst keinen…

Rafal Pankowski, Soziologieprofessor in Warschau – Leider absolut nachvollziehbar bezeichnen Sie es als Schande, dass die radikal-nationalistische Bewegung in den letzten Jahren den Unabhängigkeitstag Polens (11. November) für sich vereinnahmt habe und ihn massenhaft und gewalttätig zu quasifaschistischem Rassismus, Antisemitismus und Demokratiefeindlichkeit nutze, wogegen zum Marsch des Präsidenten unter dem Motto „Zusammen gegen Nationalismus“ viel weniger Menschen kämen. Das bestätigt leider einmal mehr die bittere Erfahrung, dass Vernunft und Humanität nahezu nirgendwo ein verlässliches zuhause haben.

Detlef Hartlapp, Chefredakteur der TV-Programmzeitschrift prisma – Dass Sie für das hiesige Fernsehangebot zumindest in dessen kulturzerstörender Dominanz nichts können, ist bereits aus einer Vielzahl Ihrer wöchentlichen Kolumnen ersichtlich geworden. Soeben kommentieren Sie dort die uns bevorstehende Herrschaft des „Internets der Dinge“, das laut Wikipedia dafür sorgen wird, dass der Computer „zunehmend als Gerät verschwindet und durch ‚intelligente Gegenstände’ ersetzt wird“. Was Letzterer schon heute diktatorische Herrschaft betrifft, so fassen Sie das Heute und Morgen in diesen, freilich nicht eben optimistischen Sätzen, wohl zutiefst treffend zusammen: „Nach 10.000 Jahren Entwicklung trägt ein großer Teil der Menschheit Stöpsel im Ohr oder hält den Blick auf ein Display fixiert. Allein der Anblick ist niederschmetternd. Kein Mensch ohne Handy, ohne Handy kein Mensch. Gut informiert verpasst der Mensch sei Leben.“

Christian Lindner, Rumpf-FDP-Chef – Laut manager magazin wollen Sie in neues parteinternes Netzwerk schaffen, dass – so eine Spiegel-online-Meldung – „vor allem Unternehmer und Spitzenmanager enger an die Partei binden soll. Demnach soll es die FDP mit programmatischen Ideen und bestenfalls auch neuem Führungspersonal sowie Spenden versorgen“. Wir sehen Sie und die verbliebenen Ihren schon mit dem Hut vor dem KdW sitzen und passierende Manager anrufen: „Ham’se mal ’ne programmatische Idee?“

Wolf Biermann, 78 – Der NSA-Skandal, also die absehbar totale Bespitzelung ganzer Gesellschaften, die deutsche an vorderer Stelle eingeschlossen, bringt Sie nicht aus der Ruhe: „Das berührt mich überhaupt gar nicht. Ich halte das für eine hysterische Propaganda-Idiotie. Es wundert mich, dass sich Leute darüber wundern, dass die Amerikaner so viel Informationen wie möglich sammeln wollen. Der Unterschied ist doch, ob ein totalitärer Staat die Menschen bespitzelt oder ob eine Demokratie sich über den Streit in der Welt informieren möchte.“ Dazu fällt uns nichts mehr ein außer Volksmund: „Alter schützt vor Torheit nicht!“ Oder vielleicht treffender: „Weisheit kommt im Kopf und nicht im Alter.“

Dirk Helms, Mitglied des AfD-Kreisverbandes Stormarn (Schleswig-Holstein) – In einem öffentlichen Vortrag zum Thema „Deutsche Selbstwahrnehmung“ haben Sie unter anderem zum Besten gegeben, dass Gaskammern im KZ Dachau zwecks Täuschung erst im Nachhinein von den Alliierten eingerichtet worden sind. Auf eine der wenigen zarten Kritiken, solcherart das Dritte Reich zu bagatellisieren, hatten Sie eine Antwort von intellektuell besonderer Prächtigkeit auf Lager: „Geschichte muss man eben ganz genau beleuchten“. Vor dem Niveau seines Personals ziehen wir vor der AfD kollektiv unseren Hut und sagen ihr eine vielversprechende Zukunft voraus.