17. Jahrgang | Nummer 16 | 4. August 2014

Nicht nur für Brecht-Kenner eine wahre Fundgrube

von Manfred Orlick

Der Suhrkamp Verlag hat vor vier Jahren mit der Edition der 54 Notizbücher von Bertolt Brecht begonnen. Insgesamt 14 Bände soll das Projekt umfassen, das heißt pro Band meist drei oder vier Notizbücher. Start der Edition war Band 7 mit den Notizbüchern 24 und 25 aus den Jahren 1927-30. Sie dokumentieren eine wichtige Umbruchzeit in Brechts Schaffen, der in diesen Jahren intensive philosophische Studien betrieb und die theoretischen Grundlagen für sein späteres Theaterschaffen erarbeitete.
Vor zwei Jahren erschien Band 1, der die Notizbücher 1 bis 3 aus den Jahren 1918-1920 umfasste. Hier notierte der junge Brecht Gedichtentwürfe, Lieder, Notenskizzen und szenische Entwürfe, aber auch theoretische Betrachtungen über das Theater. Nun liegt mit Band 2 die Fortsetzung vor, der die Notizbücher 4 bis 8 aus dem Jahr 1920 beinhaltet. Obwohl Brecht 1920 kaum Veröffentlichungen hatte, war es doch ein äußerst produktives Jahr, was schon die Vielzahl der Notizbücher zeigt. Darüber hinaus war 1920 ein wichtiges Jahr für Brechts politische Ausrichtung, denn er entwickelte sich zum überzeugten Kommunisten.
Erstmals beschäftigte sich der Brecht 1920 mit der Gattung des Prosagedichtes, und so finden sich in den Notizbüchern zahlreiche Entwürfe. Es entstanden unter anderem seine Psalmen, die aber erst vierzig Jahre später veröffentlicht wurden. Auch Entwürfe zu Stückprojekten wie „Spartakus“, das unter dem auf Martha Feuchtwanger zurückgehenden Titel „Trommeln in der Nacht“ 1922 in München uraufgeführt wurde, finden sich hier. Das Notizbuch 6 verwendete Brecht dagegen ausschließlich für sein Romanprojekt „Das Buch Gasgarott“, das jedoch ein Fragment und eine Laune jenes Jahres blieb. Im Notizbuch 7 finden sich Entwürfe für Gedichte und Stücke, während Notizbuch 8 auch Aphorismen, Filmideen und Adressnotizen enthält.
Wie bei den beiden Vorgängerbänden und wie für die Gesamtedition geplant sind auch bei Band 2 alle Seiten der Notizbücher digital reproduziert. Hier kann man also dem jungen Brecht gewissermaßen über die Schulter schauen. Auf der jeweils gegenüberliegenden Seite wurden die Scans vor allem im Hinblick auf ihre Lesbarkeit (zum Beispiel Süterlin-Handschrift) editorisch bearbeitet.
Ein ausführlicher Anhang gibt zunächst allgemeine Erläuterungen zur Edition generell, ehe dann zu den fünf Notizbüchern Informationen zu deren Entstehungsgeschichte, sowie Stellenerläuterungen und Kurzcharakterisierungen folgen. Dazu gibt es eine Auswahl aus den Tagebüchern (April – Juli 1920) von Caspar Neher, Brechts Schulfreund.
Komplettiert werden die Notizbücher 4 bis 8 schließlich durch eine Zeittafel, ein Literaturverzeichnis sowie mehrere Register, die die Lektüre und die Arbeit mit dieser außergewöhnlichen Edition wesentlich erleichtern.

Bertolt Brecht: Notizbücher. Band 2: 1920, Suhrkamp Verlag, Berlin 2014, 658 Seiten, 49,95 Euro.