17. Jahrgang | Sonderausgabe | 11. August 2014

Grodek

von Georg Trakl

Am Abend tönen die herbstlichen Wälder
Von tödlichen Waffen, die goldnen Ebenen
Und blauen Seen, darüber die Sonne
Düstrer hinrollt; umfängt die Nacht
Sterbende Krieger, die wilde Klage
Ihrer zerbrochenen Münder.
Doch stille sammelt im Weidengrund
Rotes Gewölk, darin ein zürnender Gott wohnt
Das vergoßne Blut sich, mondne Kühle;
Alle Straßen münden in schwarze Verwesung.
Unter goldnem Gezweig der Nacht und Sternen
Es schwankt der Schwester Schatten durch den schweigenden Hain,
Zu grüßen die Geister der Helden, die blutenden Häupter;
Und leise tönen im Rohr die dunkeln Flöten des Herbstes.
O stolzere Trauer! ihr ehernen Altäre
Die heiße Flamme des Geistes nährt heute ein gewaltiger Schmerz,
Die ungebornen Enkel.

„Grodek“ ist wahrscheinlich Georg Trakls letztes Gedicht. Es wurde kurz nach seinem Tod in der Zeitschrift Brenner veröffentlicht. Wir folgen dieser Textfassung, allerdings unter Verzicht auf die – im Manuskript nicht vorhandenen – Absätze. An dieser Stelle sei auf Franz Fühmann verwiesen: Vor Feuerschlünden. Erfahrungen mit Trakls Gedicht, Hinstorff, Rostock 1982.