17. Jahrgang | Nummer 7 | 31. März 2014

Druck auf die Fracking-Gegner

von Ulrich Scharfenorth

Der Konflikt um die Ukraine zeigt auch im Energiebereich spürbare Wirkungen. Die Zahl derer, die sich mehr Unabhängigkeit von Moskau wünschen, wächst – und diejenigen, die sich wegen der Bürgerproteste in Sachen Fracking (siehe Das Blättchen 7/2011, 20/2011 und 12/2013) bislang nicht durchsetzen konnten, bekommen Oberwasser. Auch EU- Energiekommissar Günther Oettinger möchte der verhängnisvollen Technologie „eine Chance“ geben. Wie einige Medien so tönt auch er, es gebe eine völlig neue Technologie der Schiefergasgewinnung, die mit den Anfängen der Exploration nichts mehr zu tun habe. Eine dreiste Lüge! Der Druck, das Fracking einzusetzen, geht unter anderem von Exxon/USA und BASF/Wintershall aus, die sich bereits Explorations-Claims in NRW gesichert haben, aber auch von der deutschen Industrie, der billigeres Gas natürlich genehm wäre. Auch einzelne Landbesitzer und angeschlagenen Kommunen könnten die Schiefergasgewinnung positiv bewerten, weil ihnen auf einfache Weise Geld zuflösse. Dabei gibt es überhaupt kein Erfordernis, auf sinkende Gaspreise zu setzen – es sei denn man möchte Rendite und Wettbewerbsfähigkeit noch weiter aufziegeln. Schon jetzt leidet „Resteuropa“ unter der übermächtigen Konkurrenz der Deutschen, sprich: unter den unverhältnismäßig hohen deutschen Exportüberschüssen – die 2013 bei üblichen Gaspreisen einen neuen Höchststand erreichten.
Dass die Geschehnisse zwischen Kiew und Krim in den letzten Wochen verzerrt in die Druckerschwärze gerieten, ist bekannt. Inzwischen mehren sich die Stimmen, die auf Ausgewogenheit in der Berichterstattung drängen. Nicht nur Ex-Kanzler Schröder (dem einige am liebsten einen Maulkorb verpassen würden), auch Peter Scholl-Latour, Gregor Gysi, Erhard Eppler, Dirk Müller und Ken Jebsen sprechen jetzt Klartext. Und nimmt man hinzu, dass die Menschen auf der Krim zu über 90 Prozent für den Anschluss an Russland gestimmt haben und sehr bald auf eine sehr viel höhere Entlohnung und doppelt so hohe Renten hoffen können, dann muss doch auch dem Dümmsten endlich ein Licht aufflackern (hier geht es doch wohl um ein Selbstbestimmungsrecht, das uns zumindest nach außen hin immer so wichtig ist).
Kurz und schlecht: Hier wird von Seiten des Westens wider besseres Wissen die Hasstrommel geschlagen, und mit ihrem Tönen ein anderer wichtiger Aspekt ins Licht rückt: Das Thema Fracking. Hier mischt jetzt auch die Rheinische Post kräftig mit – und setzt auf EU-Energie-Kommissar Oettinger. Das gemeinsame Motto: Wir könnten uns doch schnell von der ungeliebten Abhängigkeit gegenüber Russland befreien, wenn wir endlich die Schiefergasgewinnung massiv angingen. Und genüsslich zitiert das Blatt, dass der Mann aus Brüssel Deutschland sogar zum Fracking-Vorreiter in Europa machen möchte – mit einer TOP-Technologie, die mit den Anfängen dieser Exploration nichts mehr zu tun habe. Ja, wie viel Impertinenz muss der Bürger eigentlich aushalten. Jeder einigermaßen Belesene weiß doch, dass es beim Fracking die entscheidenden, für den Grundwasserschutz erforderlichen Neuentwicklungen gar nicht gibt. Klar ist, dass nicht nur diese Gazette, sondern auch Oettinger seit langem fürs Fracking plädieren – wahrscheinlich, weil die notwendige Fachkompetenz einfach nicht da, dafür aber der Druck von Seiten der potentiellen Explorateure (unter anderem Exxo und BASF) immens ist.
Bezeichnend ist, dass die angesprochene politische Krise das Thema Fracking direkt tangiert. Verschwörungstheoretiker würden glatt schlussfolgern, dass Exxon Mobil und Co. am Zündeln in Kiew direkt beteiligt waren. Soweit möchte ich hier nicht gehen. Aber das, was derzeit zwischen dem Westen und Russland läuft, passt zumindest denen, die die Blockade gegen die Schiefergasgewinnung aufbrechen wollen, bestens ins Konzept.
Jetzt kommt es darauf an, Farbe zu bekennen. Die Bürgerbewegung gegen Fracking muss erneut Fahrt aufnehmen – und zwar sofort! Denn allein die Tatsache, dass Brüssel die zwingende Forderung nach wasserwirtschaftlichen Gutachten für den Fall des Frackings abgeschmettert hat, ist alarmierend genug. Deutschland braucht das Fracking und die damit verbundenen Vergiftungsrisiken, Landschaftszerstörungen, Erdbeben et cetera nicht. Was wir dringend benötigen, ist eine Wandlung im Denken, die Hinwendung zu einer sinnvollen, ja freundschaftlichen Kooperation mit Russland – dem man tatsächlich nichts weiter vorwerfen kann, als dass es logisch und berechtigt auf die unzähligen falschen Unterstellungen und Provokationen des Westens reagiert. Niemand hat bisher ausgetestet, wie Russland auf eine freundliche Haltung reagieren würde. Jeder schreit nur: Die Russen kommen (neuerlich beim Kauf von DEA) – eine traurige Reaktion, die bis in die 40er Jahre des vorigen Jahrhundert zurück reicht.
Jetzt fordert auch die NRW-CDU Probebohrungen − mit dem widersinnig-heuchlerischen Zusatz, dass das Trinkwasser unbehelligt bleiben müsse. Große Teile der Partei hatten das Fracking bisher abgelehnt, weil sie den Bürgerwillen ernst nahmen. Jetzt scheint sich das Blatt zu wenden. Auch FDP-Chef Christian Lindner unterstützt das Anliegen der CDU-Vorderen. Offenbar sieht er ähnlich wie seine Parteikollegen in Niedersachsen die Chance, Punkte für die angeschlagene Partei zu machen.