17. Jahrgang | Nummer 2 | 20. Januar 2014

Wie ich zu meinem Rasenmäher kam

von Thomas Zimmermann

Nachdem sich auf meine aussagekräftige Kontaktanzeige in der Mitteldeutschen Zeitung („Gepflegter Geschäftsmann Ende Zwanzig sucht diskrete Sie zw. 16 u. 50 für niveauvolle Zweitbeziehung im Raum HAL + 100 km“) erstaunlicherweise niemand gemeldet hatte, beschloss ich, nun doch in die Welt der Online-Partnerbörsen einzutauchen.
Eigentlich wollte ich mir diesen Weg ja ersparen – wer gibt schon gerne zu, Hilfe von anderen in Anspruch nehmen zu müssen, noch dazu in solch privaten Angelegenheiten? Außerdem hatte ich irgendwie die romantische Vorstellung, dass „Das hier ist Mandy, wir haben uns über die Zeitung kennengelernt“ wesentlich familiärer klingt als „Das hier ist Mandy, wir haben unsere Liebe von einer Partnerbörse berechnen lassen.“
Aber da die Annonce eben nichts gebracht hatte und ich im Wartezimmer meines Zahnarztes in der Gala einen Test gemacht habe, der belegte, dass ich ein romantisch veranlagter Typ bin (ich hatte fast doppelt so viele Antworten mit a als mit b, also nur leichten Hang zur Rationalität), wagte ich mich dann doch an den virtuellen Kontaktmarkt heran.
Zuerst wollte ich ja ganz einfach nur zu partnersuche.de, weil Kleinschmidt vom Vertrieb dort seine neue Freundin kennengelernt hat. Aber dann hat er sie zur letzten Firmenfeier mitgebracht und hinterher war ich mir sicher, dass es noch bessere Portale geben musste.
FriendScout24 („Deutschlands Partnerportal Nr. 1“) und ElitePartner („Liebe ist kein Zufall“) schieden von vornherein aus, weil sie für meinen Geschmack zu sehr das Wissenschaftliche, das Berechnende der ganzen Angelegenheit betonten. Auch Parship musste ich leider ausschließen: Die Frau, mit der diese Homepage beworben wurde, erinnerte mich zu sehr an meine eigene Frau – und etwas Feingefühl hat man ja dann doch.
Lange überlegte ich bei eDarling, weil die Annoncen von der Cosmopolitan schalten und ich konnte mir schon vorstellen, dass die Frauen, die diese Zeitschrift lesen, auch zu mir passen könnten: Moderne, langbeinige Großstadtladys, Bürojob wie ich, immer etwas angespannt – mal irgendwo ganz unverbindlich Dampf ablassen… Ich klickte mich durch Dutzende Portale, von neu.de über be2.de und zoosk.de, datingjungle.de und singles-4you.de bis zu partner.de, wo ich auch fast geblieben wäre, wenn mich dann nicht doch 2-date.de überzeugt hätte. Das klang spritzig, frech, modern – genau mein Ding.
Also zahlte ich erst mal die 130 Euro für die halbjährige Mitgliedschaft und erstellte mein Profil. Lauter nette Leute, dachte ich, als ich die ersten fünf Partnervorschläge bekam. Eine Anne aus Bayreuth, Kathi aus Wuppertal und Nicole aus Braunschweig gefielen mir besonders, und weil Nicole nach Feierabend über die A 2 und A 14 grad noch so zu erreichen wäre, ohne dass ich ganz zu spät nach Hause kommen würde, schrieb ich sie an. „Hey Du“, machte ich also im dritten Versuch, den ich mit subtiler Psychologie anging. „Sieht ja echt spitze aus, dein Shirt. Hast Du Lust, einen netten Boy kennenzulernen?“
Die letzte Frage fand ich dann aber doch irgendwie blöd, denn warum sonst sollte Nicole hier sein? Aber ich hatte meinen Text schon abgeschickt und war eigentlich auch froh drüber.
Ziemlich gespannt loggte ich mich am nächsten Tag in der Mittagspause ein, aber leider hatte Nicole noch nicht geantwortet. Auch am zweiten Tag war da noch nichts. Inzwischen hatte ich bei GoFeminin.de gelesen, dass solche Börsen oft mit Fake-Profilen arbeiten und wollte schon beinah Anne aus Bayreuth anschreiben, als dann doch Post von Nicole kam. Sie war also echt! Und sie hatte Interesse an mir.
Sie schrieb mir, dass sie mich unbedingt kennenlernen wollte – so zu tun, als hätte ich Interesse an ihrem Shirt, hatte also geholfen – und ich dürfte mir über einen Link ganz „rattenscharfe“ Fotos von ihr ansehen. Ich klickte auf den Link und bekam einen Trojaner auf meinen Computer.
Zum Glück kenne ich Markus von der Technik, sonst hätte es echt Ärger gegeben wegen dem Firmenrechner. Aber so war das Problem schnell aus der Welt geschafft und ich konnte noch mal versuchen, mir Nicoles Fotos anzugucken. Wieder kam mir der Virus dazwischen.
Ich schrieb Nicole, dass da irgendwas mit ihrem Link nicht hinhauen musste und daraufhin meldete sie sich wieder nicht. Zuerst dachte ich, ich hätte meinen Hinweis vielleicht etwas grob formuliert und ihr unabsichtlich unterstellt, sie könnte nicht mit Technik umgehen. Also mailte ich ihr gleich noch mal, dass ich sie echt klasse fände. Aber dann kam immer noch keine Antwort und ich fragte mich, ob sie nicht mehr auf mich stand, jetzt wo die ersten ernsten Themen in unserer Beziehung aufkamen. Ich änderte also mein Profilfoto – so mit offenem Hemd sah ich eh besser aus und dann noch in den geilen Shorts – aber sie meldete sich immer noch nicht.
Wieder dachte ich an Anne. Mit der war das bestimmt viel leichter. Mann, wie viele Nummern ich schon in Bayreuth geschoben haben könnte – stattdessen kam ich einfach nicht von Nicole weg. Ich schrieb ihr sogar, dass ich befördert worden wäre (was nicht stimmte), nur um ihr zu gefallen.
Und dann endlich antwortete sie mir. Sie hätte mich gar nicht mehr aus dem Kopf bekommen können nach meiner ersten Nachricht, schrieb sie und ich war glücklich. Dann meinte sie, ich könnte ihr beim Rummehren zugucken, ich müsste nur auf den Link gehen.
Markus fand das dann schon ziemlich komisch, dass ausgerechnet bei mir der Rechner immer Macken hatte.
Nicoles Mail stand unbeantwortet im Raum. Ich wusste nicht, wie es mit uns weiter gehen sollte. War sie doch nur ein Fake oder verarschte sie mich bloß? Ich hätte heulen können. Ich wollte das beenden und sie trotzdem gleichzeitig in meine Arme schließen und den ganzen Computerkram drum rum vergessen. Während ich noch überlegte, was ich ihr schreiben sollte, ging ich zur Ablenkung die Werbeanzeigen am Bildschirmrand durch. Eine Bank warb da für einen Baukredit, dann ging es um ultrastarke Tampons und um sichere Laufgitter und dann um Rentenzusatzversicherungen. Und dann sah ich den Rasenmäher. Der konnte sogar die Kanten schneiden, mit höhenverstellbarem Schneideblatt. Was ich damit alles im Garten machen könnte, schoss es mir durch den Kopf. Ich dachte vor allem an die hässlichen Grasbüschel um den Schuppen. Und nicht mal teuer. Als ich die Bestellung ausfüllte, kam eine Nachricht von Nicole. Ich hatte gar nicht so richtig Zeit, sie mir durchzulesen, weil ich grad meine Kontodaten eintippte. Und da musste ich lachen: Jetzt war ich eindeutig über sie hinweg! Wie schnell das doch gehen kann.
Neulich traf ich Kleinschmidt aus dem Vertrieb am Kaffeeautomaten.
„Ach, meine Alte“, seufzte er. „Wird wohl langsam Zeit, dass ich die wieder abschieße.“
Da musste ich ein bisschen protzen. „Vielleicht hast du nur die falsche Partnerbörse benutzt. Ich hab voll Glück gehabt.“
„Betrügst du Monika etwa?“, fragte er überrascht und ich sagte: „Nee, aber ich hab ’nen echt geilen Rasenmäher.“
Und da hat er nur dumm geguckt.