17. Jahrgang | Nummer 2 | 20. Januar 2014

Antworten

Katharina Thalbach, Berliner Bühnenwunder – Wir wollen es einfach nicht glauben, 60 werden Sie jetzt? Wer Sie auf der Bühne erlebt, dieses Wunder an geistiger und körperlicher Beweglichkeit, diese Inkarnation des Begriffes „Schau-Spielerin“, gesegnet mit einem immer wachen Verstand (allein das Spiel der Augen…) wird süchtig nach Theater. Sie sind das offenbar auch: Am 19. Januar, Ihrem Geburtstag, standen Sie in der Berliner Komödie am Kurfürstendamm auf der Bühne. Wir gratulieren Ihnen von Herzen und freuen uns „diebisch“, wie Sie die gestrige Diebskomödie ankündigten, auf noch viele wunderbare Rollen und Regiearbeiten der Thalbach!

Bobby Jindal, republikanischer Gouverneur von Louisiana – Nach der verlorenen Präsidentschaftswahl von 2012 haben Sie Ihre Partei dazu aufgerufen, „die Intelligenz der Wähler“ nicht weiter zu beleidigen und gefolgert: „Wir müssen aufhören, die dumme Partei zu sein.“ Viel Erfolg war diesem Appell offenbar nicht beschieden, denn eine aktuelle und repräsentative US-Studie belegt soeben, dass das naturwissenschaftliche Weltbild in Gods own country weiter auf dem Rückmarsch ist, und dass namentlich die politische Rechte mit ihrer Orientierung auf eine vorwissenschaftliche Gedankenwelt ihren stolzen Anteil daran hat.

Horst Seehofer, Massel & Chuzpe Habender – Mann, Sie haben wirklich, was Volkes Stimme Schwein oder Massel und gebüldetere Kreise Fortune nennen: Masse und Medien vergessen in diesen immer überaufgeregten Zeiten überaus schnell, und Ihre Gattin ist offenbar vom Stamme „Dir verzeih‘ ich alles“. Anderenfalls müsste angesichts des neuesten Stammtisch- und Totschlagslogans Ihrer bayerischen Trachtentruppe – „Wer betrügt, der fliegt.“ – die Luft sehr rasch sehr dünn für Sie werden. (By the way: Platz sieben im Ranking der zehn peinlichsten Seitensprünge; noch vor Bill Clinton.) Sollte allerdings Ihre Chuzpe, dieses Treiben gegen Bulgaren und Rumänen trotzdem gewähren zu lassen, gerechterweise doch noch die Erynnien auf den Plan rufen, dürfen Sie mit unserem Mitgefühl ganz gewiss nicht rechnen. 

Ursula von der Leyen, vom Schandmaul Urban Priol zur Truppen-Ursel geadelt – Sie wollen in Ihrem neuen Ministerium eine Pleitenverhinderungsfrühwarnsystem installieren, um nicht, wie Ihr Vorgänger, in eine Falle vom Format Euro Hawk zu tappen. Eine der Führungsebene direkt zuarbeitende Controlling-Abteilung soll das leisten. Die Idee dazu entstammt den Reformvorschlägen der Weise-Kommission von 2010. Deren Chef, den Leiter der Bundesagentur für Arbeit, Jürgen Weise, haben Sie jetzt schon mal zu einer vertraulichen Unterredung geladen. Lassen Sie sich dabei doch gleich auch noch – was beim Jonglieren mit den ausufernden Kosten diverser Rüstungsprogramme nicht schaden kann – ein paar Tipps zum kreativen Umgang mit Zahlen geben. Schließlich offeriert Weises Laden allmonatlich Arbeitslosenzahlen, in denen Hunderttausende von Betroffenen gar nicht mehr vorkommen – umgeparkt, weggehübscht oder schlicht unter den Teppich gekehrt.

Nikolaus Bernau, Berliner Zeitung Sie beklagen, dass Museen und Bibliotheken hierzulande das Kapitel Drittes Reich und ihr aktives Tätertum in ihrer eigenen Geschichtsaufarbeitung nach wie vor ganz überwiegend aussparen, und konstatieren: „Nach 1933 unterwarfen sich die deutschen Museen und Bibliotheken mit ihren politisch oft erzkonservativen Direktoren und Mitarbeitern meist mehr als willig dem neuen Regime.“ Besonders übel sei dabei mit zuvor umworbenen jüdischen Mäzenen verfahren worden, die im Zuge des antisemitischen Furors der Nazis aus Fördervereinen geworfen, zum Teil regelrecht ausgeplündert und fürderhin totgeschwiegen wurden. Bis zum heutigen Tage. Als exemplarisch dafür verweisen sie auf Berlin. Zwar stände im Nofretete-Saal auf der Museumsinsel heute wieder eine Büste James Simons, dem die Berliner Sammlungen nicht nur dieses Artefakt zu verdanken haben, aber das verdecke eher „das systematische Vergessen anderer großer jüdischer Mäzene“ wie Gans, Friedländer-Fuld, Fraenkel, Glücksmann, Goldschmidt, Koppel, Liebermann, Meyer-Cohn, Mosse, Mühsam, Nabel, Salomon, Sigismund, Schwabach, Steinbart, Steinthal, Wassermann, Weinberg und Weisbach. Hinweise auf diese fehlten in den Berliner Bibliotheken und Museen praktisch komplett. Ihr Vorschlag: „Was spräche […] eigentlich dagegen, ab dem kommenden 9. November, an dem sich Weltkriegs-, NS- und deutsche Nationalstaats-Erinnerung verbinden, alle Objekte in allen deutschen Museen, die von Juden oder Widerständlern gestiftet wurden, in einem neuen Erinnerungsritual für einen Tag schwarz zu verhängen?“ Eine faszinierende Idee, gegen die nichts spricht – außer natürlich der bisherige (fast 70-jährige), jedes Schuldgefühl vermissen lassende Umgang mit diesem schmählichen Kapitel deutscher Museums- und Bibliotheksgeschichte.

Sidney Wolfe, Gründer von „Public Citizen“ – Als Intimkenner wirtschaftlicher Schweinereien haben Sie unlängst angemerkt, dass US-amerikanische Arzneimittelhersteller Geldstrafen für verbotene Geschäftspraktiken schon lange nicht mehr jucken. Selbst wenn diese mehrfach und in Millionenhöhe daherkommen, hätten die Konzerne solche Sanktionen „doch längst in ihr Geschäftsmodell integriert“. Und dass sie diese Gelder allein durch die Überteuerung der meisten Pharmaka locker wieder reinholen, sei ergänzt. Und dass somit der Steuerzahler den Betrug an ihm selbst finanziert ebenso.

Pentagon, verehrtes Weltfriedenszentrum – Einem neuen Strategiepapier aus Ihrem Oktogon zufolge basteln Ihre bediensteten Schrauber nun an denkenden Drohnen. Einmal unterstellt, dass dies technisch sicher sehr reizvoll ist, stellt sich unsereinem aber doch die Frage, ob Sie es nicht besser erst mal mit denkenden Politikern und Militärs versucht hätten.

Klaus Johannis, Bürgermeister von Sibiu – In einem Interview zur sogenannten Armutseinwanderung aus dem Balkan haben Sie auf einen Umstand hingewiesen, der in Bild-Deutschland gern unterbelichtet wird, dass nämlich vor allem gut Ausgebildete ihre Heimat verlassen, wo sie keine oder keine zur ihrer Qualifizierung auch nur annähernd adäquate Arbeit finden: „Für Rumänien ist es ein größerer Verlust, wenn ein qualifizierter Arbeiter nach Deutschland geht, als es ein Gewinn für Deutschland ist.“ Ja, so ist es mit den für alle gleichen Chancen bei der inneren Öffnung Europas – in welche Richtung und zu wessen Nutzen der von den Amerikanern gelernte „Brain drain“ gerät ist wohl offenkundig. Irgendwie erinnert das an den Witz, wo jemand aus der achten Etage eines Hochhauses etwas auf den Kopf eines Mitbewohners im zweiten Stock wirft und ihm auf dessen Empörung hin anbietet, dieser könne doch das gleiche mit ihm tun …

Gerald Neubauer, Greenpeacler – „Der Kohleboom gefährdet inzwischen auch international die Glaubwürdigkeit Deutschland bei Klimaschutz und Energiewende“, haben Sie in Richtung der neuen Bundesregierung gesagt und dabei Bezug auf die Tatsache genommen, dass Deutschland nach wie vor nicht nur Weltmeister bei der Stromgewinnung aus Braunkohle ist, sondern 2013 in Deutschland so viel Braunkohle-Strom produziert worden ist, wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Immerhin, eine Orientierung zurück zu jenem Rohstoff, dessen Verstromung durch die DDR für Mensch und Natur zu Recht als unheilvoll geziehen worden ist, ist doch auch eine Energiewende. Völlig falsch ist der Begriff durch die neue Statistik also keineswegs.