16. Jahrgang | Nummer 24 | 25. November 2013

Georg Büchner – ein Nachtrag

von Manfred Orlick

Etwas verspätet, aber noch rechtzeitig zum 200. Geburtstag von Georg Büchner (17. Oktober), wurde vier Tage vor dem Jubiläum in Darmstadt die Ausstellung „Georg Büchner – Revolutionär mit Feder und Skalpell“ eröffnet. Für das zentrale Projekt des diesjährigen Büchner-Gedenkens mussten die Ausstellungsmacher von der Mathildenhöhe, die gerade umfassend saniert wird, ins Kongresszentrum Darmstadtium umziehen. Um die Ausstellung überhaupt installieren zu können, ließ man riesige Podeste und Emporen in dem großen Saal einbauen. Schließlich konnten auf einer Fläche von etwa 1.000 Quadratmetern immerhin rund 400 Exponate präsentiert werden – darunter Originalmanuskripte Georg Büchners und Lebenszeugnisse, Gemälde, Zeichnungen und Karikaturen, anatomische Geräte und vieles mehr. Dabei besitzen wir von ihm nur wenige materielle Dinge: eine Locke, ein paar Porträtskizzen, Manuskriptseiten und Briefe.
Die Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit der Büchner-Forschungsstelle Marburg und unter Schirmherrschaft des Bundesministers für Kultur und Medien, Bernd Neumann, und des hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier erstellt wurde, will Georg Büchner als jungen Mann mit vielfältigen Interessen zeigen, von der Literatur über die Naturwissenschaften, Philosophie, Politik bis zur Musik. Wichtiges Anliegen ist es aber auch, den Blick zu schärfen für Georg Büchner in seiner Zeit, um daraus die heutige Bedeutung Büchners und seiner Werke abzuleiten. Es geht dabei nicht um eine vordergründige Aktualisierung des Dichters, vielmehr steht das Einzigartige und Überzeitliche von Büchners Leben und Werk im Mittelpunkt. Dieses Vorhaben wird zudem mit vielfältigen Hilfsmitteln moderner Ausstellungsgestaltung wie Audio-Guide, Klangcollagen oder Video-Installationen unterstützt.
In diesem Zusammenhang ist auch der exzellente Begleitkatalog aus dem Hatje Cantz Verlag zu erwähnen. Ausstellung und Katalog sind biografisch und thematisch angelegt, beide orientieren sich dabei in fünf Akten sowohl an Büchners topografischem Lebensweg (Darmstadt, Straßburg I, Gießen, Straßburg II, Zürich) als auch an thematischen Kapiteln (Danton’s Tod, Lenz, Philosophie und Naturwissenschaft, Leonce und Lena, Woyzeck).
Der gewichtige Katalog (immerhin fast vier Kilo schwer) besticht durch sein modernes Design mit farbigen Seiten, eigens entworfenen Schrifttypen, Collagen und Montagen. Besonders auffällig ist das außergewöhnliche grafische Konzept mit einer jeweils separaten Text- und Bildspur. Die 600 Seiten müssen also von vorn und von hinten gelesen werden, wobei sich Texte, Bilder und Themen immer wieder überschneiden – auch im Layout. Die gegenüberliegenden, auf den Kopf stehenden Seiten sind zunächst gewöhnungsbedürftig, doch dann erlauben sie die Konzentration auf die Text- oder die Bildinformationen.
Neben den ausführlichen Erläuterungen zu den Ausstellungsstücken betrachten renommierte Literatur- und Kunsthistoriker in Essays spezielle Aspekte der Büchner-Forschung, zum Beispiel die Shakespeare-Begeisterung des Dramatikers Büchner oder die Woyzeck-Rezeption in der Bildenden Kunst. Darüber hinaus kommen auch nachgeborene Schriftsteller wie Johann Wolfgang Goethe, Karl Gutzkow, Paul Celan, Christa Wolf oder Elfriede Jelinek zu Wort, die an den wegweisenden Autor des 19. Jahrhunderts erinnern.
Das vielfältige Mosaik von Ausstellung und Katalog wird zudem durch ein umfangreiches Rahmenprogramm ergänzt. Dieses komplexe Angebot macht die Ausstellung zu einer multimedialen Schau, die einen neuen Blick auf den Schriftsteller, Naturwissenschaftler und Revolutionär Georg Büchner gestattet.

Ralf Beil / Burghard Dedner (Herausgeber): Georg Büchner – Revolutionär mit Feder und Skalpell, Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2013, 612 Seiten, 65,00 Euro.