von Eckhard Mieder
An gewöhnlichen Abenden sitze ich vor einem Tisch, auf dem sich Zeitungen, Zettel, Bücher – und Maschinchen häufen. Bei den schlanken, mit vielen Knöpfchen versehenen, meist matt-schwarzen Gehäusen handelt es sich um Fernbedienungen, mobile Telefone, Aufladegeräte; mir scheint ihre Anzahl hat zugenommen. Ich weiß nicht mehr, wann das erste dieser Maschinchen in meinen Besitz geraten ist. Ich weiß nicht, warum sie mehr und mehr geworden sind. Ich weiß mitunter nicht mal, wozu sie dienen.
Neulich wurde das Fernsehen umgestellt. Seitdem brauche ich zwei so genannte Handsender, um das Fernsehgerät einzuschalten und von Kanal zu Kanal zu hüpfen. Ich kannte die Problematik von Übernachtungen in kleinen Hotels und Pensionen in abgelegenen Landstrichen. Es hat etwas mit Schüsseln auf dem Dach oder verkabelten Steckdosen zu tun. Oder mit fehlenden Schüsseln auf dem Dach und unverkabelten Steckdosen. Jedenfalls lagen auf dem Nachttisch oder neben der Glotze zwei Drücke-Zwerge, für deren erfolgreiche Handhabung ich Stunden brauchte. Es ist schon vorgekommen, dass ich auf das Fernsehen unter diesen Umständen verzichtete und früher als üblich einschlief.
Im Wust meines gewöhnlichen Abendtisches befindet sich im Weiteren ein flaches, mit deutlich mehr Knöpfen versehenes Gerätlein. Die sind übrigens rechteckig und nicht rund. Soweit ich weiß, kann es zum Einschalten des Radios, des Plattenspielers, des DVD-Players auf Distanz benutzt werden. Das heißt, ich muss nicht aufstehen, den Raum durchqueren und mich der Mühsal des Knöpfedrückens am Apparat unterwerfen. Ich kann am Tisch sitzen bleiben, Zeitung oder Buch mal eben sinken lassen und mir Sendungen im Radio oder im TV durch die Luft beschaffen. Ich könnte. Wenn ich die Maschinchen bedienen könnte, die sich auf unverständliche Weise vermehren und die auf ebenso unverständliche Weise zwischen Zeitungen und Bücher kriechen und mit mir Versteck spielen.
Ich habe mich jetzt naiver gemacht als ich bin. Ich kann sie selbstverständlich bedienen. Ich habe eine polytechnische Ausbildung in der DDR bekommen und scheue nicht, mich nach der Methode von trial and error an den Knöpfchen abzuarbeiten. Vielleicht sind sie sogar dafür erschaffen worden, die Fingermuskulatur beweglich zu halten; Wellness für Hände, Fitness beim Sitzen auf dem Sofa.
Es sind ein paar schwarze Plaste-Körperchen dazugekommen. Wenn ich die drücke, schnipst ein Schlüssel heraus. Zugleich öffnet sich fünfzig Meter weiter auf der Straße die Tür meines Autos mit einem kurzen Schnalzen. Warum ich von diesen Tasten-Zwergen drei Exemplare habe, weiß ich nicht; ich habe schließlich nur ein Auto, das genau genommen der Bank gehört.
Mitunter klingelt es aus dem Tisch-Chaos. Es ist schon vorgekommen, dass ich statt des Telefons, dessen Lade-Station im Flur der Wohnung in einem Regal voller Adapter, Kabel, Batterien steht, einen Handsender oder ein Aufladegerät an mein Ohr gehalten habe. Auf mein höfliches „Mieder, Guten Abend!“ erhielt ich keine Antwort; nur das Schweigen der Technik drang in meinen Gehörgang. Oder es befand sich am anderen Ende der Leitung jemand, der normalerweise zu den Außerirdischen in „Men in Black“ gehörte; von denen weiß ich ja auch nicht, was genau sie vorhaben oder ob sie nicht an Wortes Statt in meinen Kopf eindringen.
Nicht zu vergessen das eine oder andere Handy. Plötzlich hellt sich ein Display auf, eine Melodie ertönt und wenn ich mich melde, möchte eine Frauenstimme wissen, ob ich für eine kleine Umfrage zur Verfügung stünde. Es handle sich um eine seriöse Erhebung zum Thema „Du und dein Garten“. Oder zum Thema „Glauben Sie den Politikern?“. Ich pflege zu antworten, dass ich nicht interessiert sei und drücke die Stimme weg. Dummerweise ist mir schon passiert, dass ich den falschen Knopf gedrückt habe, das Radio sprang an und ich war mittendrin in einer Diskussionsrunde zum Thema „Du und dein Garten“; diese Talk-Runde wurde in diesem Augenblick mit einem Trailer unterbrochen, der auf die nachfolgende Sendung zum Thema „Glauben Sie den Politikern?“ hinwies.
Mich würde das Innenleben dieser Maschinchen interessieren. Aus welchen Substanzen bestehen sie? Aus welchen seltenen Materialien vielleicht, die es nur in Afrika oder in Asien gibt? Müssen Menschen dafür sterben, dass sich auf meinem gewöhnlichen Couch-Tisch Maschinchen in wachsender Zahl ein Stelldichein geben? Wenn es mal nicht sogar eine Invasion von vernunftbegabten Wesen ist, die, bevor sie selber in Erscheinung treten, ihre Informations-Eier in mein Nest legen? Das sind so Fragen und Ängste, unglaublich.
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