von Armin Osmanovic, Johannesburg
Ginge es allein nach Robert Mugabe, Präsident Simbabwes und Führer der ehemaligen Befreiungsbewegung ZANU-PF, die seit 1980 das Land regiert, würde noch dieses Jahr gewählt werden. Doch Premierminister Morgan Tsvangirai von der Partei MDC (Movement for Democratic Change), die seit 2009 in einer Regierung der nationalen Einheit mit der ZANU-PF steht, will keine frühzeitigen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen.
Tsvangirai würde zwar gerne das ungeliebte Bündnis mit seinem Rivalen hinter sich lassen, doch er fürchtet Wahlen. Vor allem weil – wie schon 2008 – politische Gewalt droht. Vor vier Jahren starben rund 200 Menschen vor und nach den Wahlen und an die 10.000 wurden verletzt. Anhänger der Regierungspartei Zanu-PF hatten teilweise gemeinsam mit offiziellen Sicherheitskräften Oppositionsvertreter verfolgt, verschleppt und erschlagen.
Vieles deutet daraufhin, dass Mugabes Gefolgsleute auch diesmal eine Wahlniederlage nicht einfach akzeptieren würden. Mit dem Verlust der politischen Macht verlören die Machthaber auch ihren wirtschaftlichen Einfluss. Große Teile der simbabwischen Wirtschaft werden von Parteigängern der Zanu-PF kontrolliert.
Morgan Tsvangirai fürchtet aber auch eine mögliche Wahlniederlage, denn trotz erreichter wirtschaftlicher Stabilisierung und neuem Wirtschaftswachstum sind die sozialen Probleme, Armut und Arbeitslosigkeit, weiter immens, so dass manch früherer Unterstützer von Tsvangirai und seiner MDC enttäuscht ist.
Seit Bestehen der Einheitsregierung wächst die Wirtschaft Simbabwes wieder; 2010 um immerhin fast sechs Prozent. Zwei Jahre zuvor war die Volkswirtschaft noch um fast 20 Prozent geschrumpft. Vorbei ist auch die Hyperinflation, welche die Einkommen und Ersparnisse der Simbabwer auffraß. Heute beträgt die Inflation in dem südafrikanischen Land mit 12,5 Millionen Einwohnern nur noch vier Prozent.
Die Mehrheit der Menschen im Land ist trotz neuen Wachstums arbeitslos und arm geblieben. Simbabwe ist seit den neunziger Jahren, seit Schuldenkrise und Strukturanpassungsprogrammen, in der Krise. Die erzwungene Landreform, die Enteignung weißer Farmer, und die politische Krise haben den Abwärtssog beschleunigt. Heute zählt Simbabwe, das noch in den achtziger Jahren wegen seiner wirtschaftlichen und sozialen Fortschritte und vor allem wegen seines guten Bildungsniveaus anerkannt war, zu den ärmsten Ländern der Welt.
Zum neuen Wachstum beigetragen hat der Export von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und vor allem von Diamanten, Gold, Platin und Kupfer. Zwischen 2008 und 2010 wuchsen die Exporte um 150 Prozent. Schneller als die Ausfuhren stiegen jedoch die Einfuhren, so dass die Handelsbilanz des Landes leidet. Finanzminister Tendai Biti sah sich deshalb gezwungen, den Import von ausgewählten Waren durch Sonderzölle zu beschränken. Wegen der Dollarisierung der Wirtschaft, mit der die Inflation eingedämmt wurde, ist eine Abwertung der einheimischen Währung, die Importe verteuern und Exporte erleichtern könnte, nicht möglich.
Unter Druck ist auch der Haushalt des Staates. Die Ausgaben für Bedienstete des Staates und staatliche Projekte steigen stark. Doch 2012 kann der Finanzminister über Mehreinahmen aus dem Diamantengeschäft in Höhe von bis zu 55 Millionen Euro verfügen. Allerdings kritisieren Menschenrechtsorganisationen seit langem die Zustände in Simbabwes Diamantenminen. Sie verlangen einen Importstopp für Diamanten aus der Region Marange und wenden sich gegen die erteilte Erlaubnis zum Verkauf von Diamanten aus dieser Region im Rahmen des Kimberley-Prozesses.
Die durch den Rohstoffboom sprudelnden Kassen des Staates können dennoch nicht verhindern, dass das Haushaltsdefizit 2012 wohl 16,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen wird. Finanzminister Biti ist deshalb auf der Suche nach neuen Einnahmequellen. Geplant sind höhere Steuern und Abgaben im Bergbau.
Simbabwes Landwirtschaft gehört seit Jahren zu den Sorgenkindern in Afrika. Durch die umstrittene Enteignung weißer Farmer verzeichnete das südafrikanische Land schwere Produktionseinbußen. Wie die gesamte Wirtschaft zeigte aber auch der Agrarsektor in den letzten Jahren Anzeichen einer Erholung.
Die Tabakernte, wichtig für die Exporterlöse, ist wieder besser ausgefallen. Auch deshalb, weil viele neue Farmer auf den Anbau des Tabaks setzten, da der Preis des Tabaks gestiegen war. Die für die Ernährung der Bevölkerung so wichtige Maisernte konnte auf 1,3 Millionen Tonnen Mais gesteigert werden – während 2008 die Produktion mit nur 500.000 Tonnen ihren Tiefpunkt erreicht hatte. Simbabwe braucht aber etwa 2 Millionen Tonnen Mais für die Versorgung seiner Bevölkerung. Früher, außer in den Jahren großer Dürre, war Simbabwe als Exporteur von Mais in die Region bekannt.
Dieses Jahr droht wegen mangelnden Regens vielerorts eine schlechte Maisernte. Viele Kleinbauern sind gar von einem Totalausfall bedroht. 2012 könnte, wie Beobachter vor Ort meinen, so schlimm wie die letzte große Hungerkrise 1992 werden. Mangelnder Regen, der teilweise auf den globalen Klimawandel zurückzuführen ist, ist aber nur eine Ursache für die drohende Hungerkrise. Die niedrige Produktivität vieler Betriebe und die unzureichend geplante nationale Agrarpolitik tragen ebenfalls zur Krise bei.
Seit dem Beginn der Landreform im Jahr 2000 kann sich das Land nicht mehr ohne die Hilfe von außen ernähren. Zum Höhepunkt der politischen Krise 2008 war fast die Hälfte der Simbabwer auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen, denn die neuen Betriebe auf den enteigneten Farmen sind häufig wenig produktiv. Ihnen fehlt es vor allem an Kapital und der Staat leistet nur eine unzureichende Unterstützung. Notwendige Finanzmittel bleiben aus; viele Bauern verfügen nicht über genügend Düngemittel.
Eine große Hungerkrise fürchtet auch das Regime des alten Präsidenten Robert Mugabe. Mugabe, der sonst bei jeder Gelegenheit den Westen und seine Sanktionen gegen das Land für die Misere verantwortlich macht, lässt nun auch die westlichen Hilfswerke Nahrungsmittel verteilen, um eine große Hungerkatastrophe zu vermeiden.
Die für dieses Jahr geplanten Wahlen könnte der Langzeitpräsident Mugabe, der von seiner Partei erneut zum Spitzenkandidaten gewählt wurde, möglicherweise nicht mehr erleben. Er liegt schwer erkrankt in einem Krankenhaus in Singapur. Über die Nachfolge für den 88 Jahre alten Präsidenten, der sein Land vom weißen Siedlerregime in einem blutigen Krieg befreit hat, wird seit geraumer Zeit spekuliert. Beste Aussichten werden dem Verteidigungsminister Emmerson Mnangagwa (65) eingeräumt.
Emmerson Mnangagwa, der wegen seiner Rücksichtslosigkeit den Spitznamen „Krokodil“ trägt, war früher Chef des Geheimdienstes und 2008 Mugabes Wahlkampfmanager für die Präsidentschaftswahlen. Für die politische Gewalt, die Übergriffe auf die Opposition während der Wahlen und vor allem dann, als klar war, dass Mugabes Rivale Morgan Tsvangirai im ersten Wahldurchgang mehr Stimmen erhalten hatte, wurde er verantwortlich gemacht. Die MDC erwartet denn auch nichts von einem möglichen Mugabe-Nachfolger Mnangagwa und beschuldigt vielmehr ZANU-PF und den Sicherheitsapparat, junge Parteigänger von ZANU-PF für die Störung der nächsten Wahlen zu trainieren. Simbabwe steht erneut vor schweren Zeiten.
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