15. Jahrgang | Nummer 3 | 6. Februar 2012

Historiker-Positionen

von Korff

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, so hatte Korff gelernt, gab es – wie zuvor und auch später, dann aber in immer schnellerer Abfolge – einen einschneidenden Historiker-Streit. Seinerzeit schrieb Theodor Mommsen, bedeutender Althistoriker, Jurist und praktizierender Demokrat (also mit Kopf und beiden Füßen auch im politischen Alltag, aber zugleich distanziert dazu), 1902 mit dem Nobelpreis für Literatur geehrt, in den Münchener Neuesten Nachrichten vom 15. November 1901: „Unser Lebensnerv ist die voraussetzungslose Forschung, diejenige Forschung, die nicht das findet, was sie nach Zweckerwägungen und Rücksichtnahmen finden soll und finden möchte, was anderen außerhalb der Wissenschaft liegenden praktischen Zielen dient, sondern was logisch und historisch dem gewissenhaften Forscher als das Richtige erscheint, in einem Wort zusammengefasst: Die Wahrhaftigkeit.“
Korff, seinerseits darum bemüht, erfuhr allerdings auch die Wirklichkeit, wonach die Verhältnisse häufig nicht so sind. Damit gelangte er fast zum theologisch-philosophischen credo ut intelligam (ich glaube, damit ich erkennen kann)“; nur hieß das sehr vergröbert in den Kämpfen der Zeit hier Klassenstandpunkt, dort Ablehnung desselben.
Als der Mantel der Geschichte den zwischen Saßnitz und Auerbach (Vogtland) herrschenden obsolet machte, hatte die freie, vorurteilslose Schreibung deutscher Geschichte auch die Beitritts-Betroffenen erreicht. Doch in der neuen Geschichtsschreibung zu Deutschland scheint alles fast ausschließlich auf den Zweck fokussiert, die untergegangene DDR umzuschreiben – In Sonderheit jedenfalls die Zielvorgaben diverser Fördermittel-Verteiler. Korff verwundert: Hat die Bundesrepublik (abzüglich unerlöste Provinzen) so wenig an eigener Geschichte zu bieten, etwa dortige Umbrüche, die Entwicklung, also Leben belegen, die zeitgenössische Historiographie lohnten? Oder ist dafür einfach das schöne Geld zu schade?
Korff noch verwunderter angesichts der handelnden Personen, die sich selbst und damit die Verhältnisse erläutern – wie etwa „Der Kämpfer gegen die Ostalgie“ und Leiter des „Forschungsverbund SED-Staat“, Klaus Schroeder, dessen Etat trotz dieser schmalen Kassenzeiten nach eigener Einlassung unangefochten geblieben ist:
„Und beim Espresso die Schlussfrage: Ist Klaus Schroeders eigenes Leben frei von Brüchen?“
„Wenn es um Kontinuität und Brüche geht, sage ich zu meiner Entwicklung (Hervorhebung – Korff) immer: Früher war ich linker Antikommunist, heute bin ich liberalkonservativer Antikommunist. Aber Antikommunist bin ich geblieben.“
Solcher Maßen ausgewiesen schreiben „er und seinesgleichen“, wie der geschätzte Günter Gaus Fälle von Geistesverwandtschaft zu benennen pflegte, denn auch Geschichte(n). Da kommt kein Mommsen gegen an.